Braunschweig. Alles wird teurer, jetzt auch noch die Behandlungskosten beim Tierarzt. Die umfassende Neuberechnung der Gebühren war nach mehr als 20 Jahren längst überfällig, argumentiert die Bundestierärztekammer. Sorgen machen sich hingen Tierschützer und Tierhalter.
Die neuen, höheren Sätze gelten seit dem 22. November und sind in der neu gefassten Gebührenordnung für Tierärztinnen und Tierärzte festgelegt. Katzenhalter trifft es besonders hart. Die Kostensteigerungen machen teilweise 100 Prozent und mehr aus. „Wir haben schon die Sorge, dass alte oder kranke Tiere ausgesetzt werden oder gar nicht erst zum Tierarzt gebracht werden“, sagt Verena Geißler, Leiterin des Braunschweiger Tierheims.
Ein Beispiel wie sich die Gebührensätze verändert haben: Für eine allgemeine Untersuchung beim Hund wurden bislang 13,47 Euro und bei der Katze 8,98 Euro berechnet. Dieser Satz steigt einheitlich auf mindestens 23,62 Euro (einfacher Satz). Impfungen kosten jetzt fast 12 Euro und damit das Doppelte, der Impfstoff wird extra berechnet. Auch Kastrationen werden teurer, Röntgenuntersuchungen dagegen etwas günstiger. Ein schwacher Trost. „Tierunfreundlich“, nennt Brigitte Babic, Vorsitzende des Tierschutzvereins Lehre die Gebührenerhöhung.

Gertrud wurde ausgesetzt
Der jüngste Neuzugang im Braunschweiger Tierheim am Biberweg in Ölper, die Katze Gertrud, könnte die erste Bestätigung dafür sein, dass mehr alte und kranke Tiere ausgesetzt werden. Gertrud ist mindestens zwölf Jahre alt und sicher auch (chronisch) krank. Die Katze ist im Siegfriedviertel in einem Transportkorb gefunden worden, Futter, Streu und Katzenklo standen daneben. Auch auf das Tierheim kommen mit ihr hohe Kosten zu, um die anstehende Röntgen- und Blutuntersuchung zu bezahlen.
Nicht erst die jüngsten Preisanstiege in allen Bereichen bringen Tierhalter an ihre Grenzen. Schon vor der jetzt erfolgten Erhöhung der Behandlungsgebühren habe es Fälle gegeben, in denen Tierhalter finanziell nicht mehr in der Lage waren, die Tierarztkosten zu tragen. „Dafür haben wir unseren Pfötchenhilfefonds“, sagt Tierheimleiterin Verena Geißler. Dieser Fonds wird mit Spenden gespeist.
Pfötchenhilfefonds
Tierärzte, die die Tierhalter oft schon lange kennen, melden sich, wenn sie von finanziellen Engpässen Kenntnis haben. Die Betroffenen müssen ihre Notlage offenlegen und nachweisen, dass sie die Behandlungskosten für ihr Haustier tatsächlich nicht tragen können. „Wir überweisen direkt an den Tierarzt und auch nicht mehr als die Hälfte oder drei Viertel der Kosten“, erläutert Verena Geißler. Sie befürchtet, dass nun noch mehr Menschen (und Tiere) auf Hilfe aus dem Fonds angewiesen sein werden.
Das Tierheim selbst ist ebenfalls betroffen. Inklusive Medikamente belaufen sich die Tierarztkosten im Tierheim Braunschweig jährlich auf rund 80 000 Euro. Impfungen, Kastrationen, chronische Krankheiten, Verkehrsunfälle – die Tiere, die im Tierheim aufgenommen werden, bedürfen eigentlich immer der tierärztlichen Behandlung. „Da kommt einiges zusammen“, sagt Verena Geißler. Sie rechnet damit, dass dieser Kostenpunkt größer werden wird.
Die gute Nachricht: Trotz gestiegener Energie- und Lebensmittelpreise sei die Spendenbereitschaft der Braunschweigerinnen und Braunschweiger weiterhin hoch. „Aber unsere Mitgliedszahl geht zurück“, sagt die Tierheimleiterin. Mit Beginn der Coronapandemie habe diese Entwicklung eingesetzt und komme nicht zum Stillstand. Dabei benötigt der Tierschutzverein die Hilfe so dringend wie selten zuvor.
Wer im Internet über die Suchmaschine die Seiten des Tierheims in Ölper beziehungsweise des Tierschutzvereins Braunschweig sucht, sollte sichergehen, dass er wirklich auf die richtige Seite geht und nicht bei einem kommerziellen Tiervermittler landet. Die Adresse, die garantiert zum Verein und dem Tierheim in Ölper führt, lautet: www.tierschutz-braunschweig.de
Info
Bei der jetzt wirksamen Neufassung der Tierärztegebührenordnung handelt es sich um die erste umfassende Novellierung seit 20 Jahren. Wirtschaftliche Erfordernisse, um eine Tierarztpraxis überhaupt betreiben zu können, sind ebenso berücksichtigt worden wie neue Behandlungsmethoden, etwa die Kernspintomographie. „Die Kosten für die Behandlung von Tieren werden überwiegend zwar steigen, jedoch ermöglicht das gleichzeitig den Fortbestand vieler Tierarztpraxen“, heißt es vom Bundeslandwirtschaftsministerium, das die Gebühren aufgrund einer umfassenden Studie angepasst hat. Für Tierärztinnen und Tierärzte ist die Gebührenordnung verbindlich, das soll Transparenz schaffen und den Tierhalter vor einer Übervorteilung schützen. Ist eine Behandlung besonders kompliziert oder werden besonders wertvolle Tiere behandelt (Haftung), dann kann bis zum dreifachen Satz abgerechnet werden.