12. Dezember 2021
Menschen

Axel Milkau: Mehr als nur der Sohn von Karl

Der Erbe und Inhaber der berühmten Bäckerei ist mit mehreren Unternehmen erfolgreich, er kennt aber auch die dunklen Seiten

Axel Milkau mit seiner Partnerin Barbara Berger und Familienhund Jule. Foto: Hanno Keppel

Braunschweig. Nighty und Coretto gucken neugierig aus ihrer Box. Die jungen Pferde verfolgen aufmerksam, wie Nikolina für das Training fertig gemacht wird. Nikolina ist einer der Jungstars im Stall von Axel Milkau. Die schöne Holländerin gehört zu den größten Talenten, die hier gerade ausgebildet werden. „Sie hat einen unglaublich athletischen Körper, emotionale Intelligenz, starke Athletik und dazu noch diese wunderschönen Augen“, sagt Milkau und streicht der großen Stute fast ehrfürchtig über die Flanken. Pferde haben sein Leben geprägt. Als Sohn, als Vater, als Unternehmer – als Mensch.

Große Träume erfüllt

Der gelernte Bäckermeister ist alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer der Milkau Bäckerei mit 24 Filialen und mehr als 180 Mitarbeitern. Er ist Inhaber des Sportzentrums Löwen Classics und er ist Mehrheitsgesellschafter und Geschäftsführer der LC Sportagentur, kurz: LC.
Unter dieser Dachmarke erfüllt er sich seine Träume: Er hat in Braunschweig mit dem CLASSICO ein hoch dotiertes, erfolgreiches Weltranglisten Reitturnier etabliert und die Nachwuchsförderung in der Sparte Reitsport ganz neu aufgestellt: „Ich habe ein System entwickelt, mit dem ich die elitären Schranken im Reitsport einreiße“, sagt er stolz. „Mit unserem Turnier-Leuchtturm und dem internationalen Pferdehandel sichern wir den Breitensport unter unserer Marke LC ab und binden Förderpartner an unsere bundesweite LC Sportförderung“, erklärt er. Rund 350 Sportler profitieren jedes Jahr von diesem System.
Sein Traum hat inzwischen auch ein Zuhause: Seit sechs Jahren wohnen Axel Milkau und seine Partnerin Barbara Berger sprichwörtlich mit den Pferden unter einem Dach. Den über 200 Jahre alten Hof in Lehndorf hat er vor zehn Jahren gekauft und nach und nach zu seinem Paradies und zum Landesstützpunkt Pferdesport ausgebaut. Die Wohnung mit weitläufiger Terrasse ist direkt über den Pferdeställen. Von hier aus kann er fast alle Bereiche des 30 000 Quadratmeter großen Geländes sehen, die Trainingsarbeit seiner Mitarbeiter beobachten, seine Tiere im Blick haben. „In der Nacht höre ich sie schnauben“, beschreibt Milkau die ihm wichtige Nähe, „ich höre, wenn sie Unsinn machen, anfangen, sich zu langweilen – gegen die Wände treten, unruhig werden. Sie sind wie die Kinder, albert eins rum, albern alle.“

Ein Zeichen für ihn, an gezielter Bewegung und freiem Auslauf zu drehen. Denn – genau wie bei Menschen – besonders ausgeglichen und leistungsfähig sind die Tiere nur, wenn sie ausgelastet sind. Zwei bis drei Stunden Training stehen für die Pferde täglich auf dem Programm, vom Laufband für einzelne Muskelgruppen, über Ausritte und Hallentraining. Dazu Wellness mit einem Pferdesolarium und einer Chillout-Area. Alles Hightech, alles auf Top-Niveau: vom gummierten Bodenbelag in allen Ställen bis zum Spezialfutter, das portionsweise in einer besonderen Maschine behandelt wird, damit es garantiert keim- und schimmelfrei ist.
Morgens steht der Hof im Zeichen des Spitzensports, am Nachmittag übernehmen die Kinder der beiden Vereine die Plätze. „Wir haben früh angefangen, das Reiten auch für sozial benachteiligte Kinder zu ermöglichen“, erzählt Milkau, „in Deutschland wird das Pferd zu 90 Prozent für den Breitensport und für Therapien eingesetzt und zehn Prozent bilden den Spitzensport ab“
Und diese zehn Prozent – zu denen Nighty, Coretto oder Nikolina, sowie viele andere Sportofferten auf dem Hof gehören – sorgen für das nötige Geld. „All das hier ist ausschließlich über den Verkauf von Spitzenpferden aufgebaut“, sagt Milkau, „unsere beiden Hausvereine mit den über 70 Kindern im Training könnten ohne unsere eigenen Aktivitäten heute nicht mehr existieren.“

Hommage an die Eltern

Die stadtbekannte Bäckereikette hat er vom Vater übernommen. Vater Karl kommt jeden Morgen aus Wolfenbüttel auf den Hof, setzt sich in seine Kutsche, nimmt die Zügel in die Hand und fährt los.
„Dieser Hof ist auch eine Hommage an meine Eltern, an meine Familie“, blickt Axel Milkau zurück. Und er ist dankbar, dass ihm dieses Zurückgeben möglich ist: „Meine Eltern haben mich lange protegiert und heute ermögliche ich schon viele Jahre meinem Vater seine Leidenschaft. Denn er hat am eigenen Leib erlebt, dass es auch schief gehen kann.“
Als Axel ungefähr sechs Jahre alt war, erkrankte sein Vater an einer Lungenentzündung. Knapp anderthalb Jahre fiel das Familienoberhaupt aus. „Wir gingen fast in die Insolvenz“, erinnert sich Axel Milkau noch genau, „wir haben unseren Hof in Mascherode damals verloren, mein Vater musste seine geliebten Kaninchen, Schweine und Pferde aufgeben. Nur das Pony der Kinder wurde nie verkauft. Wir haben in dieser schweren Zeit zeitweise im Rohstofflager neben der Backstube geschlafen. Ich weiß sehr genau, was zehn Cent wert sind.“

Glücklicherweise hat sich der Vater erholt und auch sein Unternehmen wieder in die Erfolgsspur gebracht. Die Familie findet als Einsteller zur Miete ein neues Zuhause auf dem Hof in Lehndorf, den Axel schließlich viele Jahre später kaufen kann. Und immer gehören Pferde zur Familie. Wie heute Rufus, fast 30 Jahre alt, das erste eigene Schulpony, welches Axel Milkau sich damals in seinem neu gegründeten Pferdebetrieb zugelegt hatte. Es wird auch sein Gnadenbrot auf dem Hof in Lehndorf bekommen.
Axel steigt mit sieben Jahren aufs Pferd und im Grunde erst 40 Jahre später wieder ab. Über die Bundeswehr Sportschule kommt er in den Bundeskader, lange Jahre ist er als erfolgreicher internationaler Springreiter unterwegs. Er volontiert in guten Cafés in Berlin, verdient sich Geld bei einem Bestatter. Und besteht die Meisterprüfung im Bäckerhandwerk.
Anfang der 90er Jahre kommt er nach Hause. Aber nicht direkt auf einen Chefsessel. Der Vater setzt seinen Sohn wie einen Azubi ein. „Du musst einmal alles erleben, was du deinen Mitarbeitern zumuten kannst“, hat er gesagt. Und Axel hat es verstanden. Und verinnerlicht. „Unter diesen Werten segel ich bis heute“, sagt er.

Idee zum Reitturnier

Es ist zunächst nicht ganz einfach für den Junior, sich neben dem dominanten Vater frei zu schwimmen. „Er hat mich überall mit hingenommen“, weiß Axel noch genau, „wir waren beispielsweise beim Eisbeinessen des Techniker Vereins, aber alle haben nur mit meinem Vater geredet.“ Schnell war ihm klar: „Du kannst nicht nur der Sohn von Karl bleiben.“
Die Idee zum Reitturnier wird geboren. Und nimmt schnell Formen an. Sein Freund und Mentor, Reitlegende Hans Günter Winkler, ist direkt Feuer und Flamme und öffnet Türen für den bis dahin in Braunschweig recht unbekannten Bäckersohn Axel.

Immer nah dran: Axel Milkau beobachtet genau, wie sein Bereiter Christopher Sladowski auf Coco Beach seine Trainingsrunden dreht.. Foto: Ingeborg Obi-Preuß

„Wir hatten einen Termin bei Oberbürgermeister Gert Hoffmann“, weiß Axel Milkau noch genau. Wir hatten tolle Pläne, aber kein Kapital. Der OB zögert. Auftritt Hans Günter Winkler: „Wir geben Ihnen die Gelegenheit, an einer Erfolgsgeschichte mitzuschreiben“, sagt er. Und Hoffmann schlägt ein. Organisiert ein Treffen mit Norbert Massfeller, dem damaligen Chef der VW-Bank. Auch der zögert zunächst: „An Visionen sind schon viele gescheitert“ hegt er Zweifel. Winkler legt nach: „Mit mir können Sie nur gewinnen. Setzen Sie auf Sieger“, zitiert Axel Milkau seinen Freund und Partner.
Es klappt. Das erste Hallenreitturnier in der VW-Halle findet vom 8. bis 10. März 2002 statt. Der Rest ist Geschichte. Das Projekt ist jedes Jahr gewachsen, ein sportliches Event der Spitzenklasse, ein gesellschaftliches Ereignis mit hoher Promidichte, eine Riesenchance für den Nachwuchs.

„Corona war ein Schock“

Und dann Corona. Die Pandemie hat auch das Leben von Axel Milkau dramatisch gestoppt. „Es war ein Schock“, sagt er, „ich hatte Existenzängste.“ Von einem Tag auf den anderen brach das Cafégeschäft weg, die Schülerinnen und Schüler kamen nicht mehr in die Ladengeschäfte. „Wir haben sofort die Kosten gedrückt, wo es nur ging“, beschreibt Milkau. Einige Produkte wurden ausgelagert, andere vorübergehend nicht mehr produziert. „Wir haben uns auf unsere Kernaufgabe konzentriert, die Grundversorgung in den Quartieren“, beschreibt er. Kleine feste Teams übernehmen im Schichtbetrieb die Produktion. „Alle meine Mitarbeiter haben das unglaublich gut mitgetragen“, sagt der Chef voller Dankbarkeit. Auch für die Zukunft will er sich auf die Kernaufgaben in den Stadtteilen konzentrieren. „Mit weiteren Filialen in der Innenstadt bin ich vorsichtig geworden“, sagt er, „die Pläne ändern sich zu schnell. Laufwege sind kaum sicher zu prognostizieren.“
Außerdem fehlt auch ihm wie fast allen anderen das Personal. „Jetzt endlich konnte ich zwei junge Männer einstellen, die als Flüchtlinge in unser Land gekommen sind. Es hat fast ein ganzes Jahr gedauert, bis wir alle Papiere zusammen hatten.“ Hier hofft der Unternehmer auf schnelle Veränderungen. „Wir brauchen rund 400 000 Menschen zusätzlich in unserem Land, um etwa 70 Prozent der offenen Stellen im Handwerk zu besetzen.“ Zuwanderern und Quereinsteigern sollten die Hürden aus dem Weg geräumt werden.

Das Mindset der Pferde

Apropos Hürden. Über die müssen seine Pferde natürlich auch gehen. Am besten locker und gern. Seine Nachwuchstalente, die er im Alter von vier bis fünf Jahren auf Auktionen und direkt beim Züchter einkauft, starten mit acht bis neun Jahren ihre Karrieren weltweit. Bis dahin werden sie ausgebildet. „Schon beim Einkauf geht es um Erfahrung und Emotionen“, sagt er. „Ich muss das Mindset des Pferdes erfassen, es gibt auch hier Diven, Beamte und Sportler“, sagt er lachend. „Ich muss die Begeisterung des Pferdes wecken, ich brauche sie hellwach und selbstbewusst.
So wie Nighty und Coretto zum Beispiel. Und erst recht so wie Nikolina oder Dubbeldam. „Wenn ein Pferd wie Nikolina ohne Programm den ganzen Tag auf einer Weide dösen müsste, würde es mental eingehen. Nikolina will Leistung bringen und dafür Anerkennung spüren. Genau wie wir Menschen auch.“

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