16. Juli 2022
Politik

Bäderschließungen noch kein Thema

Stadt bereitet sich auf den Gas-Ernstfall vor • OB fordert Schutzschirm für Stadtwerke

Überteuerte Einkaufspreise für Strom und Gas, ein leer gefegter Markt, kaum Lagermöglichkeiten: BS-Energy kämpft derzeit mit der Gaskrise, will im Herbst eigentlich ein neues Gasheizkraftwerk und ein Biomassekraftwerk an den Start bringen. Foto: BS-Energy

Braunschweig. Die Stadt Nürnberg macht ernst: Dort bleiben die Hallenbäder wegen der Gaskrise 72 Tage geschlossen. Ganz so radikal geht die Verwaltung in Braunschweig noch nicht vor, dennoch bereitet auch sie sich auf den möglichen Ernstfall vor. „Expect the best, prepare for the worst“, beschreibt OB Thorsten Kornblum die Marschroute, nach der sich die Stadt gerade aufstellt.

Zwei Krisenstäbe wurden eingerichtet: ein administrativ-organisatorischer unter Leitung von Erstem Stadtrat Christian Geiger und ein operativ-taktischer unter Leitung der Feuerwehr. Die erste Aufgabe: Abzuklopfen, wo die Verwaltung und der Konzern Stadt Energie sparen können.

Der Deutsche Städtetag hat bereits eine Vorschlagsliste erarbeitet – vom Abdrehen des Warmwassers in öffentlichen Gebäuden bis hin zum Absenken der Temperaturen in Turnhallen, doch nicht alle sind für die Stadt gleich eine Option. Dazu zählt auch die Schließung von Bädern. „Wir müssen hier gut hinsehen“, bleibt Christian Geiger mit Blick auf die Schwimmkurse vorsichtig und denkt eher an die Anpassung der Wassertemperatur. Nichtsdestotrotz wurde beispielsweise die Freibadsaison im Bürgerpark und Raffteichbad schon verkürzt, der Saunabetrieb im Sportbad Heidberg eingestellt. Für das Worst-Case-Szenario steht die Stadt außerdem im engen Austausch mit BS-Energy und BS-Netz. Bereits Anfang des Jahres hat der Energieversorger einen Krisenstab eingerichtet, bemüht sich, alternative Brennstoffe wie Altholz, Kohle und Öl zu beschaffen. „Wir bevorraten uns mit allen Rohstoffen, doch solche riesigen Tanks, die wir bräuchten, kriegen wir so schnell gar nicht gebaut“, sagt Vorstandsvorsitzender Jens-Uwe Freitag zur aktuellen Lage. Klar ist: In diesem Jahr wird BS-Energy seine neuen Kraftwerksanlagen in Betrieb nehmen – eine Kombination aus einem Biomasse-Heizkraftwerk und einem Gasturbinenkraftwerk mit dem Ziel, die Kohle abzulösen. Jetzt wird der Kohlekessel wohl weiter in Betrieb bleiben und das Gas teilweise durch leichtes Heizöl ersetzt werden.

Mindestens genauso schwierig ist die Entscheidung, wer im Ernstfall mit Gas versorgt wird und wer nicht. BS-Energy und BS-Netz haben in diesem Zusammenhang bereits 59 Kunden angeschrieben, die in einem solchen Fall nicht geschützt wären. Dass Privathaushalte und Industrie aktuell gegeneinander ausgespielt werden, findet OB Thorsten Kornblum ärgerlich und unnötig. „Der Bundeswirtschaftsminister sollte nicht solche Debatten lostreten. Es gibt ein EU-Recht, das Haushaltskunden bis zuletzt schützt“, betont Kornblum und fordert stattdessen einen Schutzschirm für die Stadtwerke, die in dieser Situation genauso „systemrelevant“ seien, wie seinerzeit die Banken. Er befürchtet sozialen Sprengstoff, wenn die Energieversorger gezwungen sind, weitere massive Preissteigerungen an die privaten Haushalte weiterzugeben und diese nicht mehr in der Lage sind, die Kosten zu tragen.

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