26. Februar 2022
Umwelt

Big Data zwischen Raps und Rüben

Die Zukunft der Landwirtschaft ist kleinräumiger und wächst auf einer großen Datengrundlage

Eine Ackerfläche, viele unterschiedliche Standortbedingungen: In dieser Vision einer digitalisierte Landwirtschaft sind Feld-Roboter und Drohne im Raps im Einsatz, um Daten zu sammeln und einzelne Pflanzen zielgerichtet zu versorgen. Visualisierung: JKIfotolia.com (modifiziert)

Region. Moderne Landmaschinen kleckern nicht, sondern klotzen. Ein Mähdrescher bringt es heutzutage auf 14 Meter Arbeitsbreite, ein Pflug auf zwei und mehr. Die Landwirtschaft der Zukunft könnte jedoch viel kleinräumiger werden. Wie das gehen soll, das wird jetzt in der Domäne Schickelsheim erprobt.

Roboter, Drohnen, Sensoren und schnelle Datenübertragung haben in den Zukunftsmodellen ihren festen Platz. Ohne G5-Standard wird es womöglich bald auch auf dem Acker nicht mehr laufen. „5G Smart Country“ heißt das vom Bund geförderte Modellprojekt. Vodafone wird die Voraussetzung für die schnelle Datenübertragung auf den Versuchsflächen schaffen. „Wir wollen die Chancen, die 5G bietet, in der Landwirtschaft nutzen“, sagt Eva-Marie Dillschneider vom JKI-Fachinstitut für Anwendungstechnik im Pflanzenschutz in Braunschweig. Das JKI beschäftigt sich dabei vor allem mit dem Pflanzenbau: Auf den Feldern der Domäne Schickelsheim sollen Roboter Rüben säen und anschließend mechanisch das Unkraut hacken.
Mit den nötigen technischen Voraussetzungen wird eine komplett andere Landwirtschaft möglich. Der Auftakt auch dafür ist vielversprechend: Bei der digitalen Agritechnica-Messe hat die Deutsche Landwirtschafts-Gesellschaft (DLG) die gemeinsame Pionierarbeit der Technischen Universität Braunschweig, des Julius-Kühn-Instituts (JKI) und des Thünen-Instituts (TI) in der vergangenen Woche mit einem Zukunftspreis ausgezeichnet. „Spot Farming“ ist das Stichwort. Der neue Ansatz beschreibt eine Kehrtwende vom Immer-größer-Werden in der Landwirtschaft und stellt stattdessen die Einzelpflanze in den Mittelpunkt.

Auf den Äckern der Domäne Schickelsheim laufen der technische Aus- mit dem neuen Anbau zusammen. „Das Spot-Farming-Konzept denkt Pflanzenbausysteme neu, von der Einzelpflanze her, die möglichst optimal versorgt und gesund erhalten werden soll. Es arbeitet mit kleinteiligeren Ackerflächen, den Spots, deren Eigenschaften vorab genau erfasst und kartiert werden,“ erklärt Prof. Dr. Jens Karl Wegener vom Julius-Kühn-Institut den Ansatz in seiner Idealform.
Damit jede einzelne Pflanze auf einer Fläche möglichst gut mit Wasser, Licht und Nährstoffen versorgt wird und Mess- und Pflegeroboter besser selbsttätig den Bestand befahren können, würden die Pflanzen nicht wie bisher dicht gedrängt in Reihen ausgesät, sondern in akkuraten Dreiecksverbänden.

Je nach Bodenverhältnissen und Standortbedingungen sind vielfältigere Fruchtfolgen denkbar. Darüber hinaus werten weniger ertragreiche Teilflächen das Ökosystem auf, etwa durch Anlage von Blühstreifen, Hecken oder Nisthügeln für Wildbienen. Die „neue Landwirtschaft“ soll damit nicht zuletzt die Artenvielfalt fördern und insgesamt nachhaltiger werden.
Der Grundgedanke dabei ist, dass auf einer großen Ackerfläche nicht überall die gleichen Bedingungen herrschen, die Bodenqualität kann wechseln, manche Ecken sind nass, manche eher trocken. Dementsprechend macht es wenig Sinn, auf der gesamten Fläche gleichmäßig zu düngen, zu wässern oder gegen Pflanzenkrankheiten vorzugehen. Mittels feiner Sensorik werden die Standortbedingungen am Boden, in der Luft und im Weltraum gemessen. Die Analyse dieser gebündelten Faktoren könnte beispielsweise ergeben, dass sich der Anbau bestimmter Feldfrüchte auf einer bestimmten Feldfläche nicht lohnen würde und dort besser Wiesenkräuter für Hummeln, Bienen und Vögel wachsen sollten. Der verbesserte Pflanzenanbau in den anderen Teilflächen („Spots“) hält dann – so die Erwartung – das Ertragsniveau auf der Gesamtfläche.

„So nutzen wir die natürlichen Ressourcen effizienter, sparen Dünger und Pflanzenschutzmittel, steigern gleichzeitig die Agrobiodiversität, erhöhen die Ökosystemdienstleistungen und kommen zu Anbausystemen, die weniger störanfällig also resilienter sind“, fasst JKI-Forscher Wegener die Vorteile zusammen. Die Erprobungsphase beginnt jetzt, in zwei bis drei Jahrzehnten sollen die Zukunftsmodelle alltagstauglich sein.

Info: Smart Country

Das Projekt „5G Smart Country“ läuft bis November 2024 und wird vom Bundesministerium für Digitales und Verkehr mit insgesamt 3,9 Millionen Euro gefördert. Unterteilt ist das Vorhaben in die Bereiche „Smart Forestry“ (wird im Landkreis Wolfenbüttel umgesetzt) und „Smart Farming“ (Projekt im Landkreis Helmstedt).
Das JKI wird im Rahmen des Teilprojekts „Smart Farming“ mit 230 000 Euro gefördert. Weitere Projektpartner sind die Landwirtschaftskammer Niedersachsen, die Technische Universität Braunschweig, die Universität Oldenburg, das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR), die Saatzuchtfirma Strube D&S GmbH, die Rauch Landmaschinenfabrik GmbH und die Domäne Schickelsheim.
Der Ausbau der Netzinfrastruktur ist Voraussetzung, um auch das genauer auf die Einzelpflanze abgestimmte Zukunftsmodell des „Spot Farming“ zu verwirklichen.

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Roboter, Drohnen, Sensoren und schnelle Datenübertragung haben in den Zukunftsmodellen ihren festen Platz. Ohne G5-Standard wird es womöglich bald auch auf dem Acker nicht mehr laufen. „5G Smart Country“ heißt das vom Bund geförderte Modellprojekt. Vodafone wird die Voraussetzung für die schnelle Datenübertragung auf den Versuchsflächen schaffen. „Wir wollen die Chancen, die 5G bietet, in der Landwirtschaft nutzen“, sagt Eva-Marie Dillschneider vom JKI-Fachinstitut für Anwendungstechnik im Pflanzenschutz in Braunschweig. Das JKI beschäftigt sich dabei vor allem mit dem Pflanzenbau: Auf den Feldern der Domäne Schickelsheim sollen Roboter Rüben säen und anschließend mechanisch das Unkraut hacken.
Mit den nötigen technischen Voraussetzungen wird eine komplett andere Landwirtschaft möglich. Der Auftakt auch dafür ist vielversprechend: Bei der digitalen Agritechnica-Messe hat die Deutsche Landwirtschafts-Gesellschaft (DLG) die gemeinsame Pionierarbeit der Technischen Universität Braunschweig, des Julius-Kühn-Instituts (JKI) und des Thünen-Instituts (TI) in der vergangenen Woche mit einem Zukunftspreis ausgezeichnet. „Spot Farming“ ist das Stichwort. Der neue Ansatz beschreibt eine Kehrtwende vom Immer-größer-Werden in der Landwirtschaft und stellt stattdessen die Einzelpflanze in den Mittelpunkt.

Auf den Äckern der Domäne Schickelsheim laufen der technische Aus- mit dem neuen Anbau zusammen. „Das Spot-Farming-Konzept denkt Pflanzenbausysteme neu, von der Einzelpflanze her, die möglichst optimal versorgt und gesund erhalten werden soll. Es arbeitet mit kleinteiligeren Ackerflächen, den Spots, deren Eigenschaften vorab genau erfasst und kartiert werden,“ erklärt Prof. Dr. Jens Karl Wegener vom Julius-Kühn-Institut den Ansatz in seiner Idealform.
Damit jede einzelne Pflanze auf einer Fläche möglichst gut mit Wasser, Licht und Nährstoffen versorgt wird und Mess- und Pflegeroboter besser selbsttätig den Bestand befahren können, würden die Pflanzen nicht wie bisher dicht gedrängt in Reihen ausgesät, sondern in akkuraten Dreiecksverbänden.

Je nach Bodenverhältnissen und Standortbedingungen sind vielfältigere Fruchtfolgen denkbar. Darüber hinaus werten weniger ertragreiche Teilflächen das Ökosystem auf, etwa durch Anlage von Blühstreifen, Hecken oder Nisthügeln für Wildbienen. Die „neue Landwirtschaft“ soll damit nicht zuletzt die Artenvielfalt fördern und insgesamt nachhaltiger werden.
Der Grundgedanke dabei ist, dass auf einer großen Ackerfläche nicht überall die gleichen Bedingungen herrschen, die Bodenqualität kann wechseln, manche Ecken sind nass, manche eher trocken. Dementsprechend macht es wenig Sinn, auf der gesamten Fläche gleichmäßig zu düngen, zu wässern oder gegen Pflanzenkrankheiten vorzugehen. Mittels feiner Sensorik werden die Standortbedingungen am Boden, in der Luft und im Weltraum gemessen. Die Analyse dieser gebündelten Faktoren könnte beispielsweise ergeben, dass sich der Anbau bestimmter Feldfrüchte auf einer bestimmten Feldfläche nicht lohnen würde und dort besser Wiesenkräuter für Hummeln, Bienen und Vögel wachsen sollten. Der verbesserte Pflanzenanbau in den anderen Teilflächen („Spots“) hält dann – so die Erwartung – das Ertragsniveau auf der Gesamtfläche.

„So nutzen wir die natürlichen Ressourcen effizienter, sparen Dünger und Pflanzenschutzmittel, steigern gleichzeitig die Agrobiodiversität, erhöhen die Ökosystemdienstleistungen und kommen zu Anbausystemen, die weniger störanfällig also resilienter sind“, fasst JKI-Forscher Wegener die Vorteile zusammen. Die Erprobungsphase beginnt jetzt, in zwei bis drei Jahrzehnten sollen die Zukunftsmodelle alltagstauglich sein.

Info: Smart Country

Das Projekt „5G Smart Country“ läuft bis November 2024 und wird vom Bundesministerium für Digitales und Verkehr mit insgesamt 3,9 Millionen Euro gefördert. Unterteilt ist das Vorhaben in die Bereiche „Smart Forestry“ (wird im Landkreis Wolfenbüttel umgesetzt) und „Smart Farming“ (Projekt im Landkreis Helmstedt).
Das JKI wird im Rahmen des Teilprojekts „Smart Farming“ mit 230 000 Euro gefördert. Weitere Projektpartner sind die Landwirtschaftskammer Niedersachsen, die Technische Universität Braunschweig, die Universität Oldenburg, das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR), die Saatzuchtfirma Strube D&S GmbH, die Rauch Landmaschinenfabrik GmbH und die Domäne Schickelsheim.
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