Innenstadt/Östliches Ringgebet. Vor den Altbauten parken die Erst- und Zweitwagen, mit Prinzenpark, Theaterpark und Museumspark gibt es jede Menge Grün und die City lockt fast rund ums Jahr mit Aktionen für Familien. Mal Hand aufs Herz: Ist in einem solchen Umfeld eine Quartiersentwicklung nötig? Ja, sagt Jana Kästner, seit Anfang des Jahres, zuständig für das Östliche Ringgebiet und die Innenstadt.
Vor allem die Corona-Pandemie hätte noch einmal wie mit dem Brennglas gezeigt, was in den Quartieren fehlt – Viertel, die die höchste Anzahl an Single-Haushalten in der ganzen Stadt haben. Kein Jammern auf hohem Niveau also. Im vergangenen halben Jahr hat Kästner mit Einwohnern und Geschäftsleuten gesammelt, was besser gemacht werden kann, wo noch Luft nach oben ist. Wir haben sie auf einem Rundgang begleitet.

Ortstermin. Jana Kästner sitzt in einem kleinen, gelb gestrichenen Büro in der DRK-Nachbarschaftshilfe Am Wasserturm. Anfang des Jahres hat der Kreisverband dort ein Quartierszentrum eingerichtet. Die 47-Jährige ist zuständig für den Bereich Mitte-Ost, wer möchte, kann mittwochs zwischen 9 und 12 Uhr vorbeikommen und mit ihr sprechen.
Den häufig genutzten Begriff „Quartiersmanager“ mag sie übrigens nicht. „Ich denke mir die Verbesserungen nicht alleine aus, hier geht es um Mitbestimmung“, sagt sie. In den vergangenen Monaten hat sich Kästner bereits bei Gewerbetreibenden, Sozialpädagogen, Hausärzten, Nachbarschaftshilfen und Bewohnern umgehört, hat auf Rundgängen viele Ideen und Vorschläge gesammelt. Offiziell heißt sie „Koordinatorin für Quartiersentwicklung“. Ein anspruchsvoller Job für das riesige Gebiet, das sie betreut.
Mitte-Ost – das ist das östliche Ringgebiet und die Innenstadt mit Zentrum und Alterwiek. „Es ist also eigentlich nicht EIN Quartier, sondern es sind drei“ sagt Jana Kästner. 20 000 Einwohner leben in dieser kleinen Stadt in der Stadt, alle mit verschiedenen Wünschen und Bedürfnissen. Das einzige was die Viertel eint, ist die Bevölkerungsstruktur: Nirgendwo sonst leben so viele Singles wie hier. Im Stadtkern beträgt der Anteil der Einpersonenhaushalte 71,9 Prozent, im Bereich Altewiek 64,5 Prozent und im Bereich Prinzenpark 61,5 Prozent. Zum Vergleich: Der Braunschweiger Durchschnitt liegt bei 54,1 Prozent. Der Wunsch nach Plätzen, an denen man sich spontan und ohne großen Aufwand treffen kann, ist deshalb besonders groß. Und wurde durch die coronabedingte Isolation noch einmal besonders deutlich.
Der Park als Wohnzimmer
Anja Frenz-Dolle und Thomas Gläser haben bei der Befragung mitgemacht. Wir treffen sie im Museumspark, für den sie gleich ein paar Verbesserungsvorschläge hätten. „Die Bänke – viele übrigens marode – stehen hier vereinzelt, dabei wäre es doch viel schöner, wenn sie im Kreis angeordnet wären und man miteinander ins Gespräch kommen könnte“, sagen sie. Auch ein Volleyballfeld, eine Boulebahn, ein großes Schachspiel oder Liegebänke könnten sie sich für die freien Flächen des Parks vorstellen, die im Moment nichts als eine vertrocknete Rasenfläche sind. Insbesondere Anja Frenz-Dolle hat in den vergangenen zwei Jahren viel Zeit im Theaterpark verbracht. Sie arbeitet im nahen Sozialpsychiatrischen Zentrum und war mit den Bewohnern während der Coronawellen ganze Tage im Freien. Was sie sich noch wünscht? „Tische“ sagt sie. Tische, an denen man picknicken oder spielen kann, außerdem vielleicht noch einen kleiner Kaffee-, Eis- oder Poffertjeswagen wie am Prinzenpark. „Das muss alles gar nicht aufwendig sein.“

Stylish, aber tot
Nicht aufwendig, aber schöner: Das wünscht sich Claudia Krahne auch für den Spielplatz hinter der St. Aegidienkirche. Ein einsamer Kreisel und ein Metallwedel verlieren sich auf dem Oval. Alles sehr sauber, alles sehr stylish, aber gleichzeitig auch sehr tot. „Ich habe hier noch nie ein Kind spielen sehen“, sagt die junge Mutter, die vor einem Jahr aus Hamburg ins Viertel gezogen ist und „gar nicht ständig herum nörgeln will“. Bietet denn die Innenstadt – gerade jetzt in den Ferien – nicht genug Aktionen für Familien? Claudia Krahne nickt, ist aber gleichzeitig eher skeptisch: „Klar, da ist mächtig viel los, aber für jemanden, der nicht nur auf Stippvisite dort ist, sondern tatsächlich hier wohnt, ist es schon wieder viel zu überdimensioniert. Man will ja nicht nur die Mega-Action, sondern einfach mal einen netten Ort, an dem man die Nachbarn kennenlernen kann“, sagt die Neu-Braunschweigerin. Wirklich Sorgen bereitet ihr die erst vor wenigen Jahren entstandene Querung der Auguststraße. „Mein Sohn kommt nächstes Jahr im Magniviertel in die Schule. Das heißt, er muss jeden Tag eine vierspurige Straße und eine Straßenbahntrasse ohne Ampel überqueren, wenn er nicht einen Umweg über den John-F-Kennedy-Platz oder die Stobenstraße machen will“, sieht die Mutter mit Sorge.

Kleine Aktionen, also, von Hof- und Straßenfesten über Kunst- und Kreativmeilen bis hin zu Repair-Cafés und Tauschbörsen wünschen sich die Bewohner von Jana Kästners Revier. Hinzu kommen ganz reale, drückende Sorgen, was die Wohnungs- und Einkaufssituation betrifft. „Viele beklagen die steigenden Mieten, aber auch die fehlende Barrierefreiheit in den Altbauten oder auf den schmalen Bürgersteigen im Zentrum und im Magniviertel“, sagt Kästner. Ältere Bewohner oder Menschen, die auf einen Rollstuhl angewiesen sind, seien dadurch gezwungen, in ein anderes Stadtviertel zu ziehen, obwohl sie ihr Quartier doch eigentlich lieben …
Mehr Infos unter drk-kv-bs-sz.de/quartier-mitte-ost. Infos zum weiteren Programm im Kasten.