Von Birgit Wiefel, 05.05.2018.
Braunschweig. Schwarzes Outfit, ziegelrote Lippen, das Smartphone griffbereit in der Tasche – die Frau, die mir in einem Café am Bohlweg gegenübersitzt, sieht eher nach Kreuzfahrt und Karibik aus.
Jedenfalls nicht wie jemand, der sich einen Rucksack aufschnallt, um tagelang durch die Walachei zu wandern. Und doch ist Martina Bartling alles andere als der Rollkoffertyp. Schon zum dritten Mal machte die Braunschweigerin, die beruflich als PR-Referentin für ein Unternehmen unterwegs ist, einen Urlaub der anderen Art: Nach Elbe und Ostsee erkundete sie vor zwei Jahren den Kleine-Dörfer-Weg rund um Braunschweig. Zu Fuß. Über den 128-Kilometer-Trip hat sie ein Buch geschrieben. „Kein Jakobsweg-Selbstfindungsroman, sondern ein Erlebnisbericht“, wehrt Bartling lachend ab. Was reizt sie an Blasen, scheuernden Gurten und ewig wechselnden Unterkünften?
„Das Minimalistische“, kommt es ohne zu zögern. „Wer wandert, muss zwangsläufig auf jeden Schnickschnack verzichten. Bei meiner Elbewanderung flog nach zwei Tagen der Kulturbeutel mit Puderdose und Föhn aus dem Rucksack. Bei zehn Kilo auf dem Rücken vergisst du ganz schnell die Eitelkeit – das befreit“, vergleicht Bartling Urlaub und Alltag. Zudem sei Wandern ein guter Ausgleich zu Schreibtisch und Schnelllebigkeit. „Einen Weg aus eigener Kraft zu schaffen, ohne Auto, noch nicht einmal mit dem Fahrrad, das bringt dich wieder zu den Ursprüngen. Du lernst deinen eigenen Rhythmus kennen, nimmst wieder bewusst die kleinen Dinge am Weg wahr. Das fordert körperlich, hat aber nichts mit einem Schneller-höher-weiter-Fitness-Programm zu tun.“
„Wandern und Wellness“ nennt Bartling, die mit ihrem Alter lieber hinterm Berg hält, ihr Konzept. Ihr Tagespensum liegt in der Regel bei rund 20 Kilometern – auch auf dem Weg rund um Braunschweig, der für sie eine ganz neue Erfahrung war. „Urlaub in der eigenen Stadt hat Vorteile, zum Beispiel, wenn man mal etwas vergessen hat und schnell nach Hause kann. Aber es fehlt auch die Distanz zur Arbeit“, bekennt Bartling.
„Sie wohnen in Braunschweig? Warum schlafen Sie dann nicht zu Hause?“ – Sprüche wie diesen muss ein Heimatreisender abkönnen. Der Marsch rund um die Heimatstadt lohne sich trotzdem: 31 Stadtteile und Dörfer, fast alle mit sogenannten Blik-Tafeln, dem städtischen Leit- und Informationssystem, ausgestattet – „da entdeckst du ganz viele neue Ecken, von denen du vorher gar nicht wusstest“, stellte Bartling fest.
Wiesen und Weite, alte Dorfkerne und Resthöfe, ein erfrischendes Bad im Heidbergsee und stille Minuten in der Pilgerkirche in Alt-Lehndorf „und das alles direkt vor der Haustür, ohne, dass man erst das Auto oder einen Zug für den Einstieg ins Abenteuer nehmen muss – das wollte ich immer schon einmal.“ Einzig die Unterkünfte seien eine Herausforderung gewesen, sagt Bartling und erinnert sich an ein Highlight: ein lila bezogenes Bett unter einem Spiegel, der Raum sonst schwarz – schwarze Rollos, schwarze Kerzenhalter, schwarze Musikboxen. „Aus der Adresse ließ sich leider nicht erkennen, dass ich in einem ’Etablissement‘ landen würde“, erzählt Bartling lachend über ihre Entdeckung in Hondelage.
Die Wanderschuhe stehen übrigens schon wieder griffbereit in der Ecke: In diesem Jahr soll es den Ilmenau-Radweg von Uelzen nach Lüneburg entlang gehen. „Eine kleinere Tour“, sagt die PR-Referentin bescheiden.