Wolfenbüttel/Braunschweig. Schon Mitte Dezember soll ein Coronaimpfstoff für Kinder ab fünf Jahren in die Praxen kommen. „In der vierten Coronawelle sind die Fallzahlen unter den Kindern überdurchschnittlich hoch“, bestätigt Kinderarzt Dr. Michael Zense. Aber die gute Nachricht vorweg: „Bei uns in der Praxis hatten wir bis jetzt schon viele kleine Coronapatienten, aber bislang keine mit ernsthaften Symptomen. Bisher ist der Verlauf bei unseren Kindern zum Glück sehr mild.“
Dennoch empfiehlt Dr. Zense den Eltern die Impfung. „Es macht wenig Sinn, eine Altersgruppe rauszunehmen“, ist seine Einschätzung. „Wir warten auf den Impfstoff speziell für Kinder. Nach allem was wir wissen, ist die Impfung sehr gut verträglich, das Nutzen-Risiko-Verhältnis gut.“
Denn es gehe vor allem um soziale Teilhabe. Jeden Montag werden in der Praxis im Schnitt 15 Kinder auf Corona getestet, zwei Drittel sind positiv. Meist ohne Symptome. Das Problem: Coronainfizierte Kinder müssen in Quarantäne, haben Eltern und Großeltern, die sie infizieren können. „Das heißt erneut eine Abschottung von Oma und Opa, aber auch von Freunden und Sportkameraden“, beschreibt Zense.
„Die Kinder sind vor allem psychisch von dieser Pandemie betroffen“, sagt der Kinderarzt, „wir sehen deutlich mehr Jugendliche, die sich ritzen, die unter depressiven Verstimmungen oder Essstörungen leiden.“
Daher auch sein Appell an Erwachsene, sich impfen zu lassen. „Ich habe kein Verständnis mehr für Impfgegner“ sagt er, „eine Impfung ist der einzige Weg zu etwas mehr Normalität, das sind wir der jungen Generation schuldig.“
Normalerweise kommen die Patienten mit ganz anderen Beschwerden in seine Praxis in Wolfenbüttel, die er mit mehreren Kolleginnen und Kollegen betreibt. Da sind die Klassiker – Erkältungen, Bauchschmerzen, kleinere Unfälle. Aber auch Kinder mit schweren Grunderkrankungen.
Dr. Michael Zense ist einer der wenigen Kindergastroenterologen in der Region. Er betreut zum Beispiel junge Patienten mit chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen. Er arbeitet nach wie vor eng mit dem Klinikum Braunschweig zusammen, wo er von 2006 bis 2012 Oberarzt an der Kinderklinik war. Für diese Patienten sei auch eine Coronaimpfung besonders wichtig.
„Wir sprechen die Eltern, oder – je nach Alter – auch unsere Patienten direkt darauf an.“ Die Reaktionen? „Positiv“ fasst Dr. Zense zusammen. Die Eltern seien fast durchweg gut informiert, einige seien skeptisch, da gebe es mitunter längere Diskussionen, auf militante Impfgegner aber sei er in seiner Praxis noch nicht getroffen. „Ein überzeugter Impfgegner würde mich vermutlich auch nicht um Rat fragen“, sagt der Kinderarzt.
Zurzeit sind verstärkt Kinder mit einer RSV-Infektion in ärztlicher Behandlung. Eine Virusinfektion, die jedes Jahr auftritt, in diesem Jahr verstärkt. Eine Vermutung ist, dass sich durch die Corona-Schutzmaßnahmen im vergangenen Winter ein Jahrgang an Kleinkindern und Säuglingen nicht oder nur kaum infiziert hat. Jetzt sind vor allem Säuglinge, Frühgeborene und Kinder mit schweren Grunderkrankungen gefährdet. „Diese Kinder werden bei uns in der Praxis durch die Gabe von Antikörpern immunisiert“, erklärt Dr. Zense.
Der Mehraufwand aufgrund der Coronapandemie ist in der Kinderarztpraxis mit rund 15 Mitarbeitern zu spüren. „Zum Glück haben wir vor einiger Zeit neue Räume bezogen, wir haben Platz, um Coronatests an einem extra Eingang zu machen, wir haben unser Telefon auf die obere Etage gelegt, so dass es hier unten im Tagesgeschäft nicht dauernd läutet“, erklärt Zense die praktischen Maßnahmen, um den Andrang zu beherrschen.Dennoch: „Die Auslastung ist hoch. Mehr geht nicht“. Helfen würde ihm und seinem Team eine klarere Kommunikation von Bund und Land, auch um die bevorstehenden Impfungen besser planen zu können. Immerhin sei der Impfstoff inzwischen länger haltbar, das helfe schon. „Die Kinder werden jetzt geimpft, um die Pandemie einzudämmen, das sollte doch jeden Impfgegner noch mal zum Nachdenken bringen“, hofft Dr. Zense.