Von Marion Korth, 16.11.2016.
Braunschweig. „Jung, dynamisch, erfolgreich“ – das Etikett könnte passen, wäre es nicht so langweilig. Genau das sind Sina Pardylla (30) und Marie Christall (30) nicht. Also Schublade wieder zu und noch einmal von vorn. Nea haben die beiden Kommunikationsdesignerinnen ihr Studio für neue Gestaltung genannt, die weibliche Form des Neuen ist ihr Metier. Menschen kennenlernen, Dingen auf den Grund gehen, Altbekanntes hinterfragen und neu interpretieren, das können sie, haben mit ihren Entwürfen schon etliche Auszeichnungen und Preise abgeräumt.
„Braunschweig ist ein Geschenk für uns“, sagen die beiden. Auf die Stadt lassen sie sich immer wieder ein, beschäftigen sich mit ihrer Geschichte oder setzen sich mitten hinein. Manche werden sich vielleicht noch an ihren einladenden „Ein Laden“ im Friedrich-Wilhelm-Viertel erinnern, ein leerstehendes Ladenlokal, das die beiden – damals noch Studentinnen – bespielten und für ein halbes Jahr zum Begegnungsort, Dreh- und Angelpunkt für eine Reihe identitätsstiftender Veranstaltungen im Viertel machten.
Hotel oder Tattoostudio, Haus der Wissenschaft oder Sprengelmuseum, Festival der Utopie oder ein deutsch-arabisches Kinderbuch – jeder Auftrag, jedes Projekt ist ein neues Abenteuer. „Design wird als die Gestaltung von Oberflächen angesehen, aber es geht viel tiefer“, sagt Sina, und Marie ergänzt: „Da ist die Hülle, aber wir betrachten auch alles, was darin ist.“ Dorthin vorzudringen, sei fast so etwas wie Detektivarbeit.
Das größte Kapital der jungen Designerinnen ist wahrscheinlich nicht ihr Talent, auch nicht ihr Wissen, sondern die perfekte Art ihres Zusammenspiels und wie sie sich ergänzen. Nach enger gemeinsamer Grundlagenarbeit, geht jede ihren eigenen Weg, nähert sich auf ihre Art dem Auftrag. Es ist ein sensibler Moment, wenn sie ihre Ideen zum ersten Mal zusammenführen, der Kritik und den Augen der jeweils anderen aussetzen. Aber sie können sich aufeinander verlassen. „Das hat viel mit Respekt und Wertschätzung zu tun“, sagt Sina. Auch wenn die erste Idee noch auf wackligen Beinen steht, geschweige denn laufen kann, wird sie nicht umgestoßen, sondern von nun an im ganz speziellen „Ping-Pong-System“ gemeinsam auf den Weg gebracht. Mal ist die eine am Zug, dann die andere, unmöglich eine Trennlinie zu ziehen, Anteile gegeneinander abzugrenzen. Es ist immer ein organisch gewachsenes Gesamtwerk, das die Agentur verlässt. Eben typisch Nea.
Über die Arbeit an einem gemeinsamen Projekt an der Hochschule für Bildende Künste haben sie sich kennen- und schätzen gelernt, wurden Freundinnen. Sogar ihre Masterarbeit haben sie gemeinsam geschrieben – damals ein absolutes Novum. Am Ende des Studiums hatten sie ihren Masterabschluss in der Tasche und während kreativer Auszeiten auch schon einen kleinen Kundenstamm aufgebaut. „Wir wussten, wie man Rechnungen schreibt, und kannten uns ein bisschen mit dem Steuerkram aus“, sagt Sina. Seit 2013 machen sie und Marie gemeinsame Sache mit ihrem Studio Nea. Die Entscheidung für die unternehmerische Selbstständigkeit war eine Selbstverständlichkeit und nicht wirklich ein Wagnis. „Als Studentinnen hatten wir kaum Geld, deshalb ging es für uns immer nur aufwärts“, sagt Marie. Nur manchmal wird ihnen Braunschweig zu eng, begeistert sind beide von Berlin – und kommen dann doch wieder gern zurück. „Dort gibt es so viele tolle Leute und Projekte, und genau deswegen kaum mehr inspirierenden Möglichkeitsraum“, sagt Sina. Berlin ist irgendwie gesättigt. Ganz anders Braunschweig. Das Netzwerk hier ist dicht und trägt.
Noch während ihres Studiums 2009 konnten sie ihr erstes großes Projekt für das Phaeno verwirklichen. Mit den Einnahmen für den Entwurf haben sie die Büroeinrichtung gekauft. Der bislang größte Auftrag kam von Volkswagen Financial Services, ein komplett neues Orientierungssystem sollten sie entwerfen. Arbeit für zwei Jahre. So etwas würden sonst nur die ganz Großen in der Branche machen. Eine solche Chance für zwei Jungunternehmerinnen, die gibt es nur hier.
Angestelltenarbeit in einer anderen Agentur – unvorstellbar. „Wir haben unseren Arbeitsstil und Anspruch“, sagen die beiden Designerinnen. Den Auftrag eines Atomstromanbieters haben sie abgelehnt – das passte nicht zu ihnen. Dann doch lieber gemeinsam mit anderen ein Social Business für fair gehandelten Kakao aus Kolumbien aufbauen. Für das Projekt Cacao de Paz (Friedenskakao) wurden Sina und Marie im Kollektiv mit der Agentur A und Z als „Kreativpioniere Niedersachsen“ ausgezeichnet und werden über ein Jahr mit Workshops und Coachings begleitet. Noch so eine Sache, an der viel Herz hängt. Aber an erster Stelle steht ihr Designstudio Nea – nicht, dass jemand denkt, die beiden machen jetzt nur noch in Kakao …
Perfektes Team
Marie über Sina
: Sie ist ein sehr mutiger Mensch. Wenn sie Ideen entwickelt, hat sie keine Scheu gegen Konventionen anzugehen, außerdem hat sie ein Händchen für Farben und Formen.
Sina über Marie
: Marie kann sehr gut zuhören. Es ist unglaublich, wie sie die Dinge aufnimmt und widerspiegelt. Sie hat einen besonderen Sinn für Typographie und fürs Feine und außerdem: Auf Marie kann ich mich 100 Prozent verlassen. Ihr gelingt es immer, mich wieder auf den Boden zurückzuholen, wenn es mit mir durchgeht.
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