Von Marion Korth, 6. Juli 2015.
Braunschweig. „Es war, als würde ein Schalter umgelegt, dann flogen uns schon die Stehtische um die Ohren.“ Beate Wiedemann, Veranstalterin des Schloss-Spektakels ist noch immer geschockt über die Heftigkeit, mit der der Gewittersturm am Sonntagabend das Festgelände am Schloss Richmond verwüstete. Entwurzelte Bäume, abgerissene Äste, abgedeckte Dächer, herumwirbelnde Mülltonnen und Verkehrsschilder – Feuerwehren und Polizei waren im Dauereinsatz.
Ganz komplett war der Überblick am Tag nach dem Sturm noch nicht. Zwei Menschen mussten ins Krankenhaus, zwei wurden leicht verletzt – dies war der Kenntnisstand am Montagmittag für die gesamte Region. Die Polizei zählte 383 Einsätze im Bereich der Polizeidirektion zwischen Harz und Heide. „Braunschweig hat es am schlimmsten erwischt, wir hatten 176 Einsätze“, berichtete Polizeipressesprecher Wolfgang Klages. 107 waren es in Gifhorn, 44 in Wolfsburg. Die Feuerwehr Braunschweig meldete ihrerseits mehr als 100 Einsätze.
Gleich, nachdem das Gewitter kurz vor 19 Uhr losgebrochen war, meldeten acht Brandmelder innerhalb von zehn Minuten (Fehl-)Alarm. Obwohl alle Plätze in der Regionalleitstelle besetzt gewesen waren, mussten die Menschen zum Teil warten, bis ihr Notruf entgegengenommen wurde. „Bei so zahlreichen Notrufen ist die Herausforderung, auch die wirklich dringlichen Notrufe wie zum Beispiel Brände oder Herzinfarkte schnell abfragen zu können“, sagte Branddirektor Torge Malchau, stellvertretender Leiter der Feuerwehr Braunschweig. Insgesamt waren mehr als 500 Feuerwehrmänner und -frauen im Einsatz.
In Bad Harzburg geriet nach einem Blitzeinschlag ein Einfamilienhaus in Brand. Der Sachschaden wird auf rund 120 000 Euro geschätzt. Bei Calberlah im Landkreis Gifhorn fuhr ein ICE gegen einen Baum und konnte nicht weiterfahren. Die rund 470 Fahrgäste mussten evakuiert werden. Verletzt wurde wohl niemand. Wegen umgestürzter Bäume war die Bahnstrecke Hannover/Wolfsburg auch am Montag noch gesperrt, ebenso wie einige andere Straßen. Auf der B 188 zwischen Gifhorn und der K 29 hatten Bäume ebenfalls den Verkehr lahmgelegt.
Am Schloss Richmond hatte der Sturm ein Zirkuszelt mit sich gerissen und zerstört. Menschen hatten unter den Bäumen Schutz gesucht und mussten überredet werden, diesen unsicheren Unterschlupf wieder zu verlassen. „Wir begreifen erst jetzt, was eigentlich passiert ist, gestern haben wir nur funktioniert“, sagte Beate Wiedemann. Es sei erschreckend, wie plötzlich und heftig das Unwetter losgebrochen sei. Eine Künstlerin liege im Krankenhaus, ansonsten aber sei hoffentlich niemand verletzt worden.
Verzweifelt war am Montag Frank-Mario Laretti vom Puppentheater „Zauber Laretti“. Gerade noch hatte er das Gastspiel an der Hamburger Straße in Braunschweig bis zum Sonntag verlängert, nun muss er sämtliche Vorstellungen absagen und eine Zwangspause einlegen. „Der Sturm hat unser Zelt eingedrückt“, berichtet er. Eine Versicherung, die für diesen Schaden aufkommt, hat er nicht. „Das geht an die Existenz“, sagt er.