Von André Pause, 22.02.2014.
Braunschweig. Wer ist eigentlich dieser Othello? Für alle, die sich diese Frage – im interkulturellen Zusammenhang, natürlich – irgendwann schon mal gestellt haben, versuchte im Rahmen des 30-Jahre-Junges-Staatstheater-Festtags-Programms eine Gastspielinszenierung dieser Frage in Form einer unterhaltsamen Einkreisung nachzugehen: „Othello c’est qui“.
Das Künstlerduo Monika Gintersdorfer (Konzept und Regie) und Knut Klaßen (Bühne und Kostüme) bringt im Haus Drei einen einstündigen Dialog auf die Bühne, in dessen Verlauf der von der Elfenbeinküste stammende Tänzer und Schauspieler Franck Edmond Yao und die deutsche Schauspielerin Cornelia Dörr der Figur des Othello als europäisches Phänomen nachspüren. Die Krux: Ist William Shakespeares venezianischer Feldherr auf westlichen Bühnen der wohl berühmteste und präsenteste Schwarze, kennt ihn in Afrika anscheinend kaum ein Mensch.
Ginterstorfer lässt die Protagonisten deutsch- und französischsprachig den Weg zur Rolle andeuten – Mann aus Afrika bekommt den Othello angeboten, spricht mit der Agentin und versucht sich den Charakter zu erlesen und zu erforschen – um sie dann peu à peu in eine zunehmend sozialpädagogischer werdende Grundsatzdiskussion über Gefühle, Vorurteile, Missverständnisse und kulturelle Gegensätze zu schicken. Teilweise Stand-up-Comedy-esk und mit viel Gezappel sezieren die Spieler situativ bekannte Interpretationen des Klassikers. Aus John Neumeiers Tanzstück nehmen sie sich Othellos Draufgänger-Impetus vor, aus Alexander Scheers Inszenierung lassen sie ihre Geister (etwas langatmig) am Taschentuchtanz scheiden. Das hier nur imaginäre Taschentuch, im Stück für Othello der Beweis für Desdemonas scheinbarer Untreue, macht Dörr und Yao ganz wuschig. Sie/Europa erklärt ihre Theater- und Welt-Sicht mit Verantwortung: Hauptrolle, die große Bühne, Verantwortung und dergleichen mehr. Er/Afrika führt der Gegenseite-Gesellschaft dessen erbärmliche Versuche im Lockersein vor Augen, die auch noch einhergehen mit einem seiner Ansicht nach eher mäßigem Vorhandensein von Ehrgefühl.
Zum Schluss treten die Schauspieler vors Publikum und fragen nach Darlegung ihrer Schwarz-Weiß-Sicht rhetorisch dessen Meinung nach. Ganz nach dem Motto: Kann man denn nicht für beide Seiten Verständnis haben? Nein! Denn damit würde zu erklären versucht, was nicht zu erklären ist, und ausgeblendet, dass der Desdemona-Mord sowie die anschließende Selbsthinrichtung von Othello, hehre Motive hin oder her, Unrecht bleiben.