24.08.2014.
Braunschweig (mak). Ein Farbwechsel reicht, um Wohlwollen in Wut zu wandeln. Aber die Ampel bringt Ordnung in den Straßenverkehr. In diesem August ist die elektrische Ampel 100 Jahre geworden, in Cleveland, im US-Bundesstaat Ohio wurde sie in Betrieb genommen. Die erste Braunschweiger Ampel kam viel später und wurde am 1. November 1951 an der Kreuzung Rebenring/Hamburger Straße aufgestellt.
Siemens stellt seit 90 Jahren Ampeln her. Sehr viel verändert hat sich am Äußeren der Ampel in den vergangenen 100 Jahren nicht. Doch im Inneren der Ampel hat eine kleine technische Revolution stattgefunden, beschleunigt durch die Einführung der Mikroprozessortechnologie. „Heute sind Lichtsignalanlagen kleine Rechenwunder, die unendlich viele Signale in Echtzeit auswerten. Oder wie meine Siemens-Kollegen aus der Entwicklung es ausdrücken: Die Ampel von heute ist wie ein iPhone im Gehäuse eines C64-Computers. Sie ist der Chef der Kreuzung und damit wichtiger Teil der intelligenten Systeme zur Verkehrssteuerung“, sagt Nils Schmidt, der für Siemens das Vertriebs- und Servicegeschäft mit Mobilitätslösungen in Niedersachsen und im gesamten deutschen Norden leitet.
Die ersten Ampeln sind noch mit der Hand umgeschaltet worden. Die Ampel von heute denkt zwar noch nicht allein mit, hat aber ein technologisches Gehirn im Hintergrund, das hilft, hohe Verkehrsaufkommen zu lenken, den Verkehrsfluss zum Beispiel durch grüne Wellen zu optimieren oder Rettungsfahrzeugen Vorrang an Kreuzungen zu geben, sogar Umweltdaten können von den Verkehrsmanagementsystemen berücksichtigt werden. Schmidt glaubt, dass der Trend hin zu einer „intelligenten Vernetzung“ in den nächsten Jahren noch voranschreiten wird. Er stellt sich eine Art der Zusammenarbeit zwischen Verkehrsanlagen und Fahrzeugen vor. Ampeln könnten wichtige Verkehrsinformationen direkt ins Fahrzeug übermitteln, vor Gefahrensituationen warnen oder Hinweise geben, bei welcher Fahrgeschwindigkeit an der Kreuzung noch Grün gezeigt wird. „An solchen ’Car2X’-Technologien, wie die Fachleute sagen, wird heute schon kräftig geforscht. Auch Siemens ist an verschiedensten Pilotprojekten im In- und Ausland beteiligt. Die Idee der Entwickler: Besser informierte Autofahrer können leichter im Verkehr mitschwimmen, verbrauchen weniger Kraftstoff und vermeiden Staus“, sagt Schmidt.
Eine Hauptaufgabe der Zukunft werde es sein, Mobilität in wachsenden Städten sicherzustellen. Um künftig noch komfortabel von A nach B zu kommen, müssen die einzelnen Verkehrsträger stärker miteinander vernetzt und einfache, möglichst nahtlose Übergänge geschaffen werden. Siemens arbeitet an der Entwicklung einer sogenannten „Integrierten Mobilitätsplattform“, die Informationen der unterschiedlichen Verkehrsträger und Mobilitätsdienstleister zusammenführt. Dazu zählen beispielsweise Bahn- und Busbetreiber, Taxiunternehmen, Car- und Bike-Sharing-Anbieter oder Park & Ride- und Parkplatzbetreiber. Schmidt: „Der Fahrgast könnte sich – zum Beispiel per App – präzise über Verkehrssituationen informieren, sich Routenempfehlungen geben lassen oder Unterstützung bei der Wahl des besten Verkehrsmittels einholen. Das ist derzeit noch Zukunftsvision. Ein wichtiger Schritt hin zur intelligenten Vernetzung ist jedoch mit dem E-Ticketing bereits getan.“ Initiiert vom Verband Deutscher Verkehrsunternehmen wird es seit 2007 von der Siemens-Tochter Hanse Com betrieben und entwickelt. Mehr als 40 Nahverkehrsanbieter aus 20 Verkehrsverbünden beziehungsweise -regionen sind inzwischen angeschlossen. Hier wird das Handy zum persönlichen Ticket- und Auskunftsautomaten, Fahrkarten werden per Handy ausgesucht und bestellt. Einige Regionen würden darüber hinaus bereits die Integration ergänzender Services nutzen und bieten zusätzlich den Erwerb von Parkscheinen oder Stromtickets zum Aufladen eines E-Cars an.
Eine „nachhaltige Mobilität“, die wirtschaftlich ist und die Umwelt wenig belastet, ist Schmidts Vorstellung für die Zukunft. Die Vernetzung verschiedener Verkehrssysteme wird besser. „Nicht mehr die Art des gewählten Fortbewegungsmittels steht dann noch im Vordergrund, sondern wie einfach und sinnvoll es für den Weg von A nach B genutzt werden kann“, denkt Schmidt.
Und die Ampel? Die werde, wenn vielleicht auch „virtualisiert“ und in anderer Form, ein Partner des Autofahrers werden und ihn noch länger begleiten, so lange Menschen Fahrzeuge selbst steuern.
Geschichte
• Die Ampel war vor dem Auto da: Die erste Ampel der Welt wurde im Jahr 1868 am Londoner Parliament Square, nahe des Palace of Westminster, aufgestellt. Am Tag regelten Signalflügel den Verkehr, nachts eine Gaslaterne mit den Farben Rot und Grün. Ein Polizist bediente die Ampel und entschied, wann er das Signal wechselte. Drei Wochen nach Inbetriebnahme explodierte die Ampel, die mit brennbarem Gas betrieben wurde.
• Es dauerte fast ein halbes Jahrhundert nach der Explosion in London, bis am 5. August 1914 im US-amerikanischen Cleveland die erste elektrische Verkehrsampel in Betrieb gehen sollte.
• Als Erfinder gilt Garret Morgan, der auch ein Haarglättungsmittel entwickelte.
• Der Verkehrspsychologe Karl Peglau erfand 1961 in der DDR das „Ampelmännchen“. Erst 2004 regelte in Zwickau zum ersten Mal eine „Ampelfrau“ den Fußgängerverkehr.
• Um die Jahrtausendwende eroberten die LED-Ampeln die Straße. Sie verbrauchen bis zu 90 Prozent weniger Energie und haben eine längere Lebenserwartung als herkömmliche Glühlampen.
• In Deutschland gibt es etwa 1,5 Millionen Ampeln („Signalgeber“) in etwa 50 000 „Lichtsignalanlagen“ (das sind Kreuzungen mit vielen Einzelampeln).
• Jede zweite Ampel in Deutschland stammt nach Unternehmensangaben von Siemens.
• Seit März 2014 ist die Ampel online: Dank eines neuen Steuergeräts können Städte ihre Ampelanlagen über eine private „Cloud“ steuern und Störungen beheben, ohne dass die Ampeln ausgeschaltet werden müssen.