2. Mai 2020
Wirtschaft

Die Hoffnung: „Anfahren“ im Mai

Hotels und Gastronomie ersehnen den Neustart – Ein Besuch im Steigenberger Parkhotel

Hoteldirektor Joost Smeulders auf seinem Parkdeck vor dem Steigenberger Parkhotel. Zwei Azubis haben es blitzblank geputzt, denn es ist komplett leer. Fotos: Ingeborg Obi-Preuß

Braunschweig. Wann geht es wie weiter? Oder besser: Wann geht es überhaupt wieder los? Hoteliers und Gastronomen gehören zu denen, die unter der Coronakrise besonders leiden. Ihr Bundesverband, der Dehoga, hat ein Thesenpapier vorgelegt, in dem die Branche sich ein „Anfahren“ schon im Mai wieder erhofft.

Eine Hoffnung, die auch Joost Smeulders teilt. Der Direktor des Steigenberger Parkhotels gehört mit seinem Hotel zu den bundesweit 70 000 Mitglieder der Dehoga, allein in unserer Region sind es knapp 700. Bei einem „Abstandsbesuch“ im Steigenberger führt uns der Direktor durch die gespenstisch leeren Räume und Hallen im Hotel, über die verwaiste Terrasse und das leer gefegte Parkhaus. Und er erzählt von den Sorgen um die Mitarbeiter, von den mühsamen Versuchen, die Zeit so sinnvoll es geht zu nutzen und von der quälenden Frage, an der alles hängt: Wann geht es wieder los?

„Unsere letzten Gäste haben wir am 20. März verabschiedet“, sagt Hoteldirektor Joost Smeulders. Sein ernster Blick geht durch die weite Lobby hinaus auf die Terrasse ­­– überall gähnende Leere. „Ich bin seit 30 Jahren Hotelier“, sagt er, „ich habe einige Krisen miterlebt, aber so etwas hat es noch nicht gegeben.“
Coronazeit – auch im Steigenberger Parkhotel. Von 100 auf Null. Die Vollbremsung des öffentlichen Lebens hat das Vier-Sterne-Superior-Haus im Bürgerpark lahm gelegt. „Ich mache mir vor allem Gedanken um meine Mitarbeiter, die fast alle in Kurzarbeit sind“, sagt der Direktor. Rund 100 Angestellte gehören zum Team. „Einige von ihnen kenne ich, seit ich vor 20 Jahren in Braunschweig gestartet bin, allein sieben Jahre bin ich jetzt schon im Steigenberger“, blickt Smeulders zurück. Da wachsen Verbindungen, da weiß der Chef um familiäre Besonderheiten, um Probleme. „Im Durchschnitt verdient ein Hotelangestellter zwischen 1800 und 2300 Euro brutto“, erklärt Smeulders, „da können Sie sich ausrechnen, was 60 Prozent vom Netto sind.“

Wie lange noch? Das ist die Frage, die Smeulders Tag und Nacht bewegt. „Wir brauchen dringend einen Stufenplan für ein Re-Opening“, fährt er fort. Der Dehoga, der Dachverband der Hotels und Gaststätten, hat in Berlin ein Konzept vorgelegt. „Jetzt warten wir – und hoffen“, sagt Smeulders.
Wie lange die Branche durchhält, weiß keiner, das Steigenberger gehört zur österreichischen Vienna House Gruppe, ist also relativ stabil eingebunden. Aber was heißt das schon? Und wie lange können die Mitarbeiter mit dem reduzierten Gehalt durchhalten? Fragen, die den Direktor offensichtlich umtreiben. „Ohne meine Leute und ohne die Gäste ist ein Hotel einfach leblos“, sagt der Mann aus Holland und geht langsam voran durch die Vinothek, die Brasserie, die Lounge, das Restaurant. Leer. Dann sind wir in der historischen Maschinenhalle. Erinnerungen an rauschende Feste, fröhliche Konzerte. „Gerade erst im letzten Jahr haben wir hier den Fußboden neu gemacht“, erzählt Smeulders. Durch einen Baufehler war alles vergammelt. Jetzt liegt ein wunderbares samtig glänzendes Parkett aus. „Frisch geölt“, lächelt Smeulders matt, „immerhin hat die Coronakrise ein Gutes: sie gibt uns die Zeit für solche besonderen Arbeiten.“

Parkdeck kärchern: Paul Scheffrahn macht kurz Pause. Eigentlich wäre der junge Mann in seiner Prüfung zum Koch.

Zwei, die sich mit diesen „besonderen Arbeiten“ beschäftigen, machen gerade Pause. Paul Scheffrahn und Raphael Luszczyk sind Auszubildende. Paul ist im dritten Lehrjahr als Koch, Raphael im dritten Jahr als Hotelfachmann. Eben haben die beiden das Parkdeck gekärchert. „Spiegelblank“, freut sich der Chef und zeigt auf die blitzsauberen Platten, „hier könnten Sie vom Boden essen.“ Die beiden Azubis sind froh, dass sie überhaupt wieder arbeiten können. „Eigentlich hätte ich heute theoretische Prüfung“, sagt Paul Scheffrahn. Die ist verschoben, zum Glück hat die IHK bereits einen Ausweichtermin benannt. „Aber wie eine praktische Prüfung aussehen kann, ist noch völlig offen“, blickt Paul in eine ungewisse Zukunft.

Raphael Luszczyk, ebenfalls Azubi. Da die Pausenräume geschlossen sind, finden die Jungs „Notbehelfe“.

Für Auszubildende gibt es kein Kurzarbeitergeld, ihr Lehrlingslohn läuft weiter. „Die ersten vier Wochen waren meine 15 Azubis komplett zu Hause“, erzählt Smeulders, jetzt holt er sie „schrittweise“ wieder zurück. Zunächst die Männer, „für die groben Arbeiten“ wie Parkdeck säubern oder das Parkett ölen. „Wenn ich einen Öffnungsplan machen kann, dann kommen auch die Frauen wieder“, sagt Smeulders. Denn für den Tag X muss alles gewienert und gewischt werden.
Die Fremdfirma, die regelmäßig mit 13 Kräften im Haus das Putzen übernimmt, ist ebenso im Corona-Ausstand.

Zur Zeit hat Smeulders eine „Notbesetzung“ im Einsatz. Die Rezeption ist rund um die Uhr mit einer Kraft besetzt, die Haustechnik muss vor Ort sein – zum Beispiel müssen die Wasserleitungen regelmäßig durchgespült werden, ­um Bakterienbildung zu verhindern – eine Bürokraft hält den Kontakt zu den Kunden.
„Sie hat viel zu tun“, weiß Smeulders, „viele Menschen, die ihre Hochzeit oder ihre großen Geburtstage für den Sommer oder den Herbst bei uns gebucht haben, fragen, was wird?“ Manches wird gleich aufs nächste Jahr verschoben, manches abgesagt, manches bleibt offen. Es gibt zur Zeit nur Fragen, keine Antworten.
„Vielleicht können wir zunächst als Hotel garni wieder eröffnen“, greift Smeulders nach jedem möglichen Strohhalm, also ohne Restaurantbetrieb, nur mit Frühstück. „Denn grundsätzlich sind Hotels mit dem Thema Hygieneregeln bestens vertraut. Ein paar zusätzliche Desinfektionseinheiten – und wir könnten wieder starten. Und endlich wieder Gäste empfangen.“ Worte, bei denen sich das Gesicht des Hoteliers deutlich aufhellt.

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