Braunschweig. Wer ist diese Frau? Pünktlich zum 75. Geburtstag zeigt sich die BZ weiblicher. Jünger. Moderner. Kerstin Loehr heißt die neue Chefredakteurin, die ab sofort in einer Doppelspitze mit Christian Klose die Tageszeitung in die Zukunft führt.
Klose, der vor einem Jahr als Head of digital ins Haus kam, haben wir in der NB vom 13. November 2020 vorgestellt (nb-online.de.) Jetzt fragen wir uns: Wer ist Kerstin Loehr?
„Ich verspreche – wenn die jetzt anstehenden Strukturveränderungen in unserem Haus auf einem guten Weg sind, gibt es von mir auch wieder mehr zu lesen“, sagt Dr. Kerstin Loehr. Zurzeit ist sie vor allem mit Planung und Organisation beschäftigt, doch die Nähe zu den Menschen ist nach wie vor ihre große Leidenschaft. Sie ist die eine Hälfte der neuen Chefredaktion der Braunschweiger Zeitung. Gemeinsam mit Christian Klose. Die erste Doppelspitze in der Geschichte der BZ. „Ein Geschenk“, sagt sie zu dieser Konstellation.
Sie hat genaue Vorstellungen von ihrer Führungsrolle. Sie möchte bleiben, wie sie ist und was sie ist: In erster Linie eine Journalistin. „Ich möchte authentisch sein.“ Das ist ihr bislang gelungen. Auch bei ihrem Aufstieg in der Hierarchie. „Ich arbeite gern viel“, sagt sie, „aber es würde mich zu viel Kraft kosten, wenn ich immer eine Rolle spielen müsste.“ Ihre Kraft konzentriert sie lieber auf das, was ihr für „ihre“ BZ wichtig scheint: „Die Leserinnen und Leser sollen sich bei uns gehört und aufgehoben fühlen, die Mitarbeiter motiviert und wertgeschätzt.“ Ihr Ziel? „Dieser Region einen größeren Namen, eine stärkere Außenwirkung zu geben. Denn das hat sie verdient.“
Kerstin Loehr weiß, wovon sie spricht, sie ist ein Kind der Region. Geboren 1968 in Bad Harzburg, die Eltern waren Juristen. Aber Jura kam für sie nicht in Frage. „Allen war schnell klar, dass das nicht zu meinem Naturell passt“, erzählt sie lachend. Also Romanische Philologie mit Französisch und Spanisch, erst an der TU Braunschweig, dann in Göttingen – und ein Semester auch in Argentinien. Ihr Sprachtalent war offensichtlich.
Rechtswissenschaft im Nebenfach
„Damals habe ich ein Praktikum bei der BZ gemacht und sofort Feuer gefangen“, weiß sie noch genau. „Meine Wunschstation war Wirtschaft und Lokales – die Wirtschaft damals noch mit Jochen Zeininger und Klaus Sievers“, erzählt sie. Das hat funktioniert. „Das war wie ein zweites Studium für mich“, ist sie heute noch begeistert, „ich habe so viel gelernt. Und ich habe mich wohlgefühlt. Mir war klar: Das ist mein Beruf.“
Kerstin Loehr bekam direkt nach dem Studium ein Angebot zum Volontariat. Aber da war noch ein anderer Plan: „Ich wollte promovieren.“ Sie hat alles unter einen Hut bekommen, die Doktorarbeit und das Volontariat überkreuzten sich ein bisschen, aber das war nicht wirklich ein Problem, Kerstin Loehr kann zupacken. Und das hat sie getan. Ihre Chancen beim Schopf ergriffen und schon 1998 war sie feste Redakteurin in Salzgitter. Sieben Jahre lang. Ein prägender Meilenstein. „Doris Comes und Luitgard Heissenberg haben mich damals als Lokalchefinnen unter ihre Fittiche genommen“, blickt Loehr zurück, „es waren super spannende Jahre.“ Die Privatisierung der Krankenhäuser war ein prägendes Problem dieser Zeit. „Ich habe mich richtig verbissen, ich wollte alles wissen, alle Seiten hören“, blickt sie zurück, „und das Thema ist noch immer brandaktuell.“
Hier liegt auch der Anfang einer ihrer journalistischen Schwerpunkte: Die Gesundheitsberichterstattung. Da ist sie Expertin. Sie hat viel Empathie und Verständnis für diese Branche und vor allem für die Menschen, die hier arbeiten. Ein Beispiel ist die „Pflegeausgabe“ der BZ. „Mitten in der Coronapandemie haben wir eine Zeitung gemacht, in der die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus den Pflegediensten, Altenheimen, Arztpraxen und Krankenhäusern ausführlich zu Wort kommen“, erklärt sie. Und was sie freut: „Viele Organisationen haben sich bei uns bedankt. Das tut gut.“
Dicht am Menschen, die Zeitung für alle. Das ist es, was Kerstin Loehr bewegt. Diese Nähe zu den Leserinnen und Lesern hat sie sich bewahren können. Über alle Stationen: Stellvertretende Leiterin der Peiner Nachrichten, Leiterin Lokalredaktion Peine, Leiterin Lokalredaktion Wolfsburg. Jede Position mit eigenen Besonderheiten. „Ich bin glücklich in meinem Beruf“, sagt sie. Für ihre erste Stelle als Verantwortliche – in der Redaktion in Peine – hatte sie sich ein Jahr „Probezeit“ ausgebeten. „Ich wollte prüfen, ob die Führungsrolle zu mir passt.“ Passt. Und wie. „In dem großartigen Peiner Team habe ich neben Jörg Fiene entdeckt, wie viel Freude ich am Gestalten habe. Und dass ich mich auch sehr über den Erfolg anderer freuen kann. Über andere Autorenzeilen, über einen gelungenen Artikel.“
„We rise by lifting others“ sagen hier die Engländer. Wachsen, indem wir andere fördern. Eine Grundvoraussetzung für eine gute Führung. Die bringt Kerstin Loehr mit. Gut gemeinte Tipps von Kollegen für eine steilere Karriere noch mal ganz woanders hinzugehen, hat sie nicht umgesetzt. „Ich fühle mich wohl in dieser Region, das hier ist meine Heimat. Die Dinge kamen zu mir, ich habe nichts vorgezeichnet, wenig geplant.“
Und so kam sie auch zu ihrem jetzigen Job. By the way sozusagen. „Es war tiefster Lockdown”, weiß sie noch genau, „relativ spät am Abend, ich hatte gerade meinen Laptop zugeklappt und stand im Wintermantel in meiner Wohnung, ich wollte noch rasch einkaufen.“ Anruf auf dem Handy. Unbekannte Nummer. „Jetzt nicht, habe ich nur gedacht und die Stiefel angezogen.“ Noch ein Anruf, gleiche Nummer. „Vielleicht ein Leser mit einem wichtigen Thema?“, schoss es ihr durch den Kopf und sie drückte auf Empfang. Es kam anders – es war das Angebot, die Chefredaktion in Braunschweig zu übernehmen – in einer Doppelspitze.
Die erste Reaktion? „Ich dachte nur: Ich habe eine Riesenlust dazu, aber ich möchte weiterhin im Redaktionsalltag bleiben, nicht nur noch repräsentieren. Die Doppelspitze, die war dann aber ein entscheidender Faktor. Ich arbeite sehr gern im Team. Und auch die meisten Kolleginnen und Kollegen kenne ich ja seit vielen Jahren.” Wobei nicht zu erwarten war, dass alle „alten“ Mitarbeiter der neuen Führung direkt in die offenen Arme fallen. „Darf ich dich jetzt noch duzen“, riefen ihr einige Kollegen zu, halb scherzhaft, aber auch mit einem gewissen Abstand.
„Das ist ok“, ordnet die neue Chefin ein. Es kommt Bewegung in alte Strukturen, viele hoffen auf neue Impulse, frische Energie. „Kollegen melden sich mit Vorschlägen für Veränderungen und Verbesserungen“, sieht die Chefin einen guten Anfang. „Aber so ein Neustart ist natürlich immer auch mit Verunsicherung, mit Ängsten verbunden. Und unsere Branche steht eben vor großen Herausforderungen.”
Kerstin Loehr will alle mitnehmen, konzentriert sich aber auf die, die wollen. Denn im Zweifel kann die Neue auch anders. „Sie ist ein Sonnenschein und ausgesprochen charmant“, sagte ihr Vorgänger Armin Maus bei seiner Verabschiedung, „aber lassen Sie sich von diesem Lächeln nicht täuschen. Sie kann ihren Kopf durchsetzen, das habe ich mehr als einmal erlebt.“
Leidenschaftlich und engagiert schmiedet Kerstin Loehr gemeinsam mit ihrem „Chefpartner“ Christian Klose Pläne für die Zeitung der Zukunft. Und setzt sie um. Erste Veränderungen sind schon sichtbar. Das „Thema des Tages“ und ein zusätzlicher Kommentar auf der Titelseite holen die Leser zu den brisanten Geschichten ab, die Samstagsrubrik „Die Woche“ ist geöffnet. Heißt: „Je nach Thema schreiben die Profis aus unseren Ressorts“, erklärt Loehr die Veränderung. „Wir haben alle unser Fachwissen, ich schreibe hier vielleicht irgendwann zur Gesundheitspolitik“, erklärt sie die Rotation, „aber eine Einschätzung zu Eintracht zum Beispiel wird sich niemand von mir ernsthaft wünschen“, fügt sie lachend hinzu.
Obwohl sie vermutlich auch das könnte. Zumindest ist sie sportlich interessiert und selbst aktiv. Dreimal die Woche geht sie rund zehn Kilometer laufen, spielt gern Tennis und ist – als Kind des Harzvorlandes – gern draußen. Privat lebt seit vielen Jahren ein Mann an ihrer Seite.
Kerstin Loehr ist nah an den Menschen, vor allem beruflich. Das ist ihr Weg. Und der der Zeitung. Da ist sich die Doppelspitze einig. „Egal auf welchen Kanälen, ob print oder online. Wir wollen mitnehmen, erklären und kontroverse Debatten führen“, beschreibt Kerstin Loehr. „Und wir wollen den Menschen die Region noch näherbringen, zeigen, was für einen Schatz wir hier haben, wo es sich besonders schön leben lässt, wo die Natur lockt, wo es spannende Geschichten gibt, wir wollen zusammenführen, ein gemeinsames Gefühl entwickeln und stärken.“