23. Februar 2022
Kultur

Dreamteam in mörderischer Mission

Die Komödie kann nicht nur lustig: Manon Straché über ihre Rolle in Stephen Kings „Misery“

Manon Straché, Fabian Goedecke und Kay Szacknys (blaues Shirt). Foto: Florian Battermann/Komödie am Altstadtmarkt

Altstadt. Florian Battermann hatte den Psychothriller „Misery“ nach der Romanvorlage von Stephen King schon lange auf die Bühne seiner Komödie am Altstadtmarkt bringen wollen. Er wusste auch mit wem: Manon Straché.

Sie ist für ihn die ideale Annie. Warum, das erklärt sich bei einem Gespräch mit der Schauspielerin am Rande der Proben. Am 24. Februar hat das Stück Premiere.

Die ideale Annie

Da wird kein Hebel umgelegt, kein Knopf gedrückt. Manon Straché beherrscht den fliegenden Wechsel, zeitlich trennt sie nur ein Wimpernschlag von der Figur, die sie spielt. Eben noch reflektiert sie über die gespaltene Persönlichkeit der Annie, deutet, ordnet ein, um mit dem nächsten Satz schon mitten im Bühnendialog zu sein und als wütende, gekränkte und getriebene Annie ihre Sicht der Dinge herauszuschleudern. Die ungeheure Energie und Intensität, mit der Manon Straché die Annie zum Leben erweckt, reißt mit, ist atemberaubend. Mit den Brüchen kennt sie sich aus, legt sich in jede Kurve der emotionalen Berg- und Talfahrt.

„Kein Mensch wird böse geboren“, ist Manon Straché überzeugt. „Ich spiele sie nicht als Brunnenvergifterin.“ Und nicht als mordlüsternes Monster. Beschreibungen wie „wahnsinnig“ oder „verrückt“, passen nicht auf die Krankenschwester, sagt Manon Straché. „Verrückt“ allenfalls im Sinn einer verschobenen Wahrnehmung der Welt. Die Frau, die mit ihren Enttäuschungen und Verletzungen allein ist, ohne Korrektiv von außen, findet eigene Mittel und Wege, um sich der Rücksichtslosigkeit, Dummheit und Schlechtigkeit der Welt zu erwehren. Wenn es sein muss mit Gewalt.

Genau wegen der feinen Untertöne ist Manon Straché dankbar für einen Regisseur wie Christian H. Voss. „Ich bewundere dessen Genauigkeit, ohne dabei pingelig zu sein.“ Voss sei jemand, der nicht auf einem Wort herumreitet, aber darauf achtet, dass beispielsweise der etwas altmodische Satzbau erhalten bleibt, der Annies erstarrte Welt widerspiegelt.
Und sie ist froh über einen Bühnenpartner wie Fabian Goedecke („Ein Geschenk“), der sie aushält, Humor hat und außerhalb der Bühnenwelt ihre Vorliebe für Quarkbällchen teilt. Für die Zeit in Braunschweig sind sie Nachbarn, die Theaterwohnungen liegen Tür an Tür. Manon Straché gesteht, ein bisschen Angst vor dem ersten Zusammentreffen gehabt zu haben. Dann das Aufatmen: Die Chemie stimmt. „Wir können uns aufeinander verlassen.“ Das gilt auch für den dritten im Bund, Kay Szacknys. Er mache sich einen Kopf, was er aus der Rolle des Sheriffs Buster herausholen könne, sagt Manon Straché voller Anerkennung. Und das sei viel.

Eine gute Zeit

Nicht nur, was die Freude an der Probenarbeit angeht: Das ist wieder eine gute Zeit. In Braunschweig – wie eigentlich überall – seien die Menschen freundlicher als in Berlin. Manon Straché fühlt sich fast ein bisschen zu Hause. „Hier kenne ich die Frau Kunze aus dem Penny.“ Treuepunkte sammelt sie nicht oder nur im übertragenen Sinn. Seit 2015 stand sie immer wieder auf der Bühne in der Komödie, inszenierte zuletzt selbst.
Während der Coronazeit hatte auch sie „Angst vom Karussell zu fallen“, aber dann ging doch alles gut: „Ich bin nicht krank geworden, war auf Tournee und hatte Arbeit.“ Der zwischenzeitlich erzwungene Leerlauf war für Manon Straché eine Lektion, anzunehmen, was sie nicht ändern kann. „Ich bin sonst immer mit dem Kopf durch die Wand.“ Am Ende brachte sie die Entschleunigung dazu, endlich die Bücher zu lesen, die sie immer schon hatte lesen wollen. „Und ich habe die Fenster in der Theaterwohnung geputzt“, sagt sie und lacht. Nur irgendwelche lustigen Videobeiträge mit Bücherwand oder Küchenzeile im Hintergrund, die wird man von ihr nicht im Internet finden. Da wird sie resolut: „So etwas mache ich nicht, das ist kein professionelles Umfeld.“ Das Angebot, die Tontechnik der Komödie für Hörbuchaufnahmen und Lesungen zu nutzen, hat die Schauspielerin hingegen gern angenommen, um die Entschleunigung nicht zum Stillstand werden zu lassen.
Und nun die Annie Wilkes in „Misery“ – es bleibt spannend.

Zum Roman:

Kathy Bates erhielt einen Oscar für ihre Verkörperung der Krankenschwester Annie Wilkes in „Misery“. Der Film entstand nach dem Stephen-King-Roman „Sie“. Richard Goldman schrieb das Drehbuch und die Bühnenfassung.
Erzählt wird das Martyrium des Romanschriftstellers Paul Sheldon, der nach einem Autounfall von Annie gerettet wird. Er wacht in ihrem Haus auf, verletzt und ans Bett gefesselt. Durch einen Schneesturm sind sie von der Außenwelt abgeschnitten. Als Annie erfährt, dass Sheldon die von ihr geliebte Serienromanheldin „Misery“ in seinem neuen Buch sterben lässt, zeigt sie ihr grausames Gesicht.

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