Sweny´s Apotheke im Herzen von Dublin ist ein kleiner Raum, höchstens vier, fünf Leute passen hier hinein. Momentan sind es sieben, der Raum ist also zum Bersten voll.
Das liegt zum Glück nicht am hohen Bedarf für Arznei, denn Medikamente gibt es hier schon lange nicht mehr zu kaufen. Aus dem Sortiment von vor gut hundert Jahren ist nur noch eine Zitronenseife geblieben.
Heute stehen vor allem Bücher in den Regalen. Bücher über irische Literatur und insbesondere über James Joyce, dessen Hauptfigur Leopold Bloom im Jahrhundertroman „Ulysses” eben hier die Zitronenseife für seine Frau Molly kauft. Analog zum antiken griechischen „Odysee”-Epos von Homer lässt Joyce seinen Protagonisten am 16. Juni 1904 durch Dublin streifen. Dabei muss Bloom sich dann nicht mit Zyklopen und Sirenen herumschlagen, dafür aber mit einem Verehrer seiner Frau, lästigen Mit-Trinkern in verschiedenen Pubs und seinen eigenen Gelüsten.
Weil der Roman aufgrund seiner variierenden Schreibstile, dem Humor, seiner unglaublichen Assoziationskraft und vor allem der detailgenauen Beschreibung Dublins immer noch eine riesige, weltweite Leserschaft hat, wird seit einigen Jahren jeweils am 16. Juni der „Bloomsday” gefeiert. Zahlreiche Iren und ihre Gäste tragen deshalb heute kleine Strohhüte wie Leopold Bloom, im Pub-Viertel Temple Bar gibt es Open-Air-Lesungen aus „Ulysses” und in einigen Pubs wird Guinness zu gebratener Niere serviert, einer Leibspeise des Hauptcharakters.
Dass dieser Tag so bunt begangen wird, hat auch mit Maite Lopez zu tun. Die gebürtige Rheinländerin ist Theaterpädagogin, Künstlerin, vor allem Joyce-Fan. Sie zog 2008 nach Dublin und engagierte sich stark für die Umsetzung solcher Aktivitäten. „Ich hatte immer ein bisschen den Karneval im Kopf, aber das entspringt wohl meiner rheinländischen Herkunft”, lacht sie.
Die Faszination von „Ulysses” hat für sie nie nachgelassen. „Das Buch ist wie eine Schatzkiste, man findet immer wieder neue Perlen und Gedanken.” Zusammen mit ihrem Mann Niall rief sie vor Jahren das Projekt „At it Again” ins Leben. Das Ziel der beiden ist es, den Humor in verschiedenen irischen Klassikern herauszustellen, den es auch in „Ulysses” zuhauf gibt. Zusammen erstellten sie das kleine Büchlein „Romping Through Ulysses”, welches auch für Nicht-Kenner die Geschichte zum Leben erweckt. Maites Lieblingsstellen sind eher die etwas anzüglichen, frivolen, gibt sie zu. Aber Sweny´s Apotheke sei ein wunderbarer Ort, um die Atmosphäre des frühen 20. Jahrhunderts zu erleben. Hier kaufte Samuel Beckett, ein weiterer irischer Literatur-Gigant, die Medikamente für seinen Vater, nebenan wurde Oscar Wilde geboren. Und die Zitronenseife gibt es natürlich noch heute.