6. November 2021
Kultur

Eine umwerfende Frau

Gilbert Holzgang inszeniert „Galka Scheyer in Amerika“

Hans Stallmach (Alexej von Jawlensky), Jürgen Beck-Rebholz ( (Lyonel Feininger), Andreas Döring (Wassily Kandinsky) und Ronald Schober (Paul Klee) . Foto: Klaus G. Kohn

Braunschweig. Emilie Esther Scheyer müssen wir kennen. Wir in Braunschweig. Und vor allem: wir Frauen. Regisseur Gilbert Holzgang hat die Geschichte der 1889 in Braunschweig geborenen „Emmy“ in seinem Theater Zeitraum auf die Bühne gestellt. Einfach großartig. Morgen (Sonntag) ist die vorerst letzte Vorstellung (evtl. gibt es noch Restkarten).

„Galka Scheyer in Amerika“ ist der dritte Teil, den Holzgang über die selbstbewusste und mutige Braunschweiger Kunstvermittlerin inszeniert. Es gibt inzwischen einen Förderverein, eine Straße in Stöckheim ist nach ihr benannt, aber dennoch liegt ihre Geschichte für viele im Verborgenen.
Dabei ist das, was Gilbert Holzgang zusammengetragen und für die Bühne bearbeitet hat, spektakulär. Dazu unterhaltsam, bunt, sprühend vor Witz, Charme und Intelligenz – und obendrein noch Kunst. Stoff genug für einen großen Kinofilm.

Zunächst aber die Bühnenfassung. Dieser dritte Teil beginnt im Mai 1924 mit der Ankunft Emmy Scheyers in Amerika. Als Kunsthändlerin versucht sie für ihre „Blaue Vier“ – Alexej von Jawlensky, Lyonel Feininger, Wassily Kandinsky und Paul Klee – Ausstellungen und Verkäufe zu organisieren.
Zuvor war sie durch halb Europa gereist, war als Kindermädchen „in Stellung“, hat nebenbei Kunst studiert und ein Netzwerk geknüpft.

Die engste Verbindung besteht zwischen ihr und Alexej von Jawlensky. Von ihm stammt auch ihr Spitzname „Galka“ (russisch für Dohle). Im Begleitheft steht, dass sie ihren Kosenamen wohl ihrem schwarzen Haar verdankte, der Begriff im Russischen aber auch für Menschen benutzt wird, die viel reden.
Und das macht sie. Kathrin Reinhardt ist als Galka zwar blond, gibt der Figur aber mit einer starken Bühnenpräsenz und ihrer großartigen, warmen Stimme eine besondere intensive Wirkung. Sie und „ihre“ Künstler in Deutschland lesen auf der Bühne aus ihren Briefen. Kathrin Reinhardt im Vordergrund, die Männer ­– Hans Stallmach (Alexej von Jawlensky), Jürgen Beck-Rebholz ( (Lyonel Feininger), Andreas Döring (Wassily Kandinsky) und Ronald Schober (Paul Klee) – treten meist abwechselnd im Hintergrund auf.

Mit einfachen Mitteln schafft es Gilbert Holzgang die Intensität und das Lebensgefühl dieser Zeit nachfühlen zu lassen. Die Weimarer Republik, die Machtübernahme Hitlers, der Krieg. Beklemmend die Auswirkungen der zunehmenden wirtschaftlichen Not, die auch in Amerika die bisher sorglose Szene der reichen Kunstkäufer verändert. Von den Vertretern der „Entarteten Kunst“ in Deutschland ganz zu schweigen.

Jazzmusik und eine Leinwand mit Originalszenen verdichten die Wirkung. Die Crew auf der Bühne nimmt alle mit. Ein Theaterabend, der nachwirkt.

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