14. August 2015
Natur

„… für Bienen der Garten Eden“

Stadt(Statt)-Gartenprojekt im Bebelhof wächst und gedeiht – Okerbienen-Imker Uwe Alpert möchte andere für seine Leidenschaft begeistern.

In der Stadt blüht immer irgendetwas: Bienen lieben die Blüten des Schmuckkörbchens. Foto: Petra Nause-Alpert

Von Marion Korth, 15.08.2015.

Braunschweig. Tanja und Waltraud ziehen sich ihre weißen Schutzanzüge über, sehen jetzt fast aus wie Raumfahrerinnen. Der Vergleich scheint gar nicht so abwegig. „Die Bienen haben mir Einblick in einen ganz anderen Kosmos gegeben“, sagt Imker Uwe Alpert. Seine Faszination möchte er weitergeben, an Tanja und Waltraud und die fünf anderen Mitglieder der Bienengruppe, die sich jeden Dienstag im Stadt-/StattGarten Bebelhof treffen.

Das „neue Landleben“ wird in der Stadt erprobt. Urban Gardening kennen wir schon, Urban Beekeeping ist im Kommen. Braunschweig ist nicht Berlin, aber Uwe Alpert tut das Seinige, um die Stadtimkerei als Trend zu beflügeln. Die Okerbienen der Alperts sind ohnehin stadtbekannt, ein Buch hat der Hobbyimker geschrieben und jetzt die Bienengruppe im Bebelhof.
„Bisher kannte ich Ableger eigentlich nur von Pflanzen“, sagt Tanja. Aber genau so ein Bienenvolk-Ableger hat Alpert in den Bebelhof-Garten gebracht. Das Wachsen und Gedeihen des jungen Volkes steht im Mittelpunkt seines praktischen Anschauungsunterrichts. Er ist nicht der einzige Fachmann, der im VHS-Garten sein Wissen weitergibt, die Gartengruppe kontrolliert gerade die anderen Ableger. Lauter Stecklinge der verschiedensten Kräuter unter der Plastikhaube. Burkhard Bohne, Leiter des Arzneipflanzengartens der TU, erklärt, wie wichtig es ist, alle abgestorbenen Blätter zu entfernen, damit nicht Schimmel und Fäule die kleinen Pflänzchen im feuchtwarmen Minigewächshausklima dahinraffen.
Bei den Bienen sieht das Programm für diesen Tag ganz ähnlich aus. „Wir haben seit drei Wochen nicht mehr ins Volk hineingeschaut“, sagt Alpert. Deshalb die weißen Anzüge. Kontrolliertes Kokeln, bevor der Deckel des Bienenhauses angehoben wird. „Smoker“ heißt das Gerät mit Blasebalg, aus dem gezielt Rauchstöße abgegeben werden. Erst vorn am Einflugschacht, später auch zwischen die Waben. Den Bienen wird so ein bisschen Waldbrand vorgegaukelt, sie saugen sich mit einer Notration Honig voll, falls sie die Flucht ergreifen müssen. In jedem Fall haben sie nun anderes im Sinn, als die angehenden Imkerinnen zu stechen. Was ohnehin ganz selten vorkommt. „Bienen sind friedlich“, sagt Alpert. Tanja und Waltraud holen mit bloßen Händen ein Rähmchen nach dem anderen aus dem Kasten. „Eine wunderschöne Wabe“, sagt Alpert. Er ist zufrieden, das Volk hat sich gut gemacht. Und es wächst weiter, das sieht er an der Brut.
In der Stadt gibt es keine Rapsfelder, keine Heideflächen und trotzdem: „Braunschweig ist für Bienen der Garten Eden“. Parks, Gärten, Balkone – überall ist für Bienen etwas zu holen. Auf dem Land folgt auf das große Fressen dagegen oft der große Hunger. In der Stadt blüht eigentlich immer etwas. Nur gerade sieht es etwas mager aus. Die Zeit, bis Efeu oder Astern blühen, will Alpert mit mitgebrachter Zuckerlösung aus dem Eimer verkürzen. Er füllt zwei abgeschnittene Milchverpackungen mit dem klebrigen Sud. Statt Strohhalmen bekommen die Bienen kleine Stöckchen als Kletterhilfe, dann wird ihnen der Cocktail direkt im Kasten serviert. Fertig, Deckel drauf, nun soll wieder Ruhe herrschen im „Karton“.
Tanja hat das „pure Interesse“ in den Imkerkursus gelockt, Imkerin will sie deshalb nicht gleich werden. „Mir reichen meine Meerschweinchen“, sagt sie und lacht. Waltraud fehlt (noch) die Zeit für eigene Bienen. Mindestens eine Teilnehmerin aus dem Kursus aber möchte „Stadtimkerin“ werden.
Uwe Alpert und seine Frau Petra Nause-Alpert (sie ist die Honigspezialistin im Team) halten eines ihrer Bienenvölker sogar auf dem Balkon – „im vierten Stock“. So haben die beiden die Bienen stets im Blick, können ihre Arbeiten an den Außenstandorten, zum Beispiel im Bürgerpark, danach ausrichten.
Größter Feind der Stadtbienen ist die gefürchtete Varroa-Milbe, ein aus Asien eingeschleppter Parasit. Sie kann die Völker bis zur gänzlichen Vernichtung schwächen. „Aber das kann man in den Griff bekommen, auch wenn es Mehrarbeit bedeutet“, sagt Alpert. Trotz vieler düsterer Meldungen ist er überzeugt, dass die Bienen und die Imkerei eine Zukunft haben.
Früher war Uwe Alpert Biologielehrer, erzählte seinen Schülern vom Bienentanz. „Von der Praxis hatte ich keine Ahnung und auch eine Heidenangst vor Bienen“, sagt er. Heute lässt ihn die Faszination nicht mehr los. Der andere Kosmos. „Ein Leben ohne Bienen können meine Frau und ich uns gar nicht mehr vorstellen.“

Familiensonntag:

Im Stadt-/StattGarten in der Schefflerstraße 34 gedeihen rund 30 unterschiedliche Tomaten, in Hochbeeten und in Pflanzsäcken. Der August ist der perfekte Erntemonat für die inzwischen gereiften Früchte. Deshalb lädt die Volkshochschule zu einer Tomatenverkostung am Sonntag (16. August) ab 14 Uhr ein. Interessierte erhalten Informationen über Anbau, Pflege und Verarbeitung der Tomaten. Kinder können eine leckere Tomatensoße kochen, die dann mit Nudeln am großen Tisch probiert wird. Dazu gibt es einen kühlen Sommerwein und selbstgemachte Limonade.
Die Veranstaltung ist kostenlos!

Der Garten:

Mit Unterstützung der Stadt Braunschweig, die das Grundstück in der Schefflerstraße als Pachtfläche zur Verfügung stellte, hat die Volkshochschule im März 2015 ihren zweiten Gemeinschaftsgarten eröffnet. Und das junge Pflänzchen gedeiht gut im Bebelhof. „Würden wir hier einen Kursus zu gesunder Ernährung anbieten, würden wir wahrscheinlich allein dastehen“, sagt VHS-Projektkoordinatorin Ute Koopmann. Für die Teilnehmer kostenlose Gartenworkshops in Zusammenarbeit mit den Prinzessinnengärten in Berlin, regelmäßige Gartentermine mit Kräuterfachmann Burkhard Bohne (finanziert von der Bingo-Umweltstiftung) oder das Imkerseminar mit Uwe Alpert haben sich jedoch als Magneten für Menschen (nicht nur) aus dem Viertel erwiesen. Ein Stamm von Ehrenamtlichen pflegt den Garten, dazu gibt es Kooperationen mit Schulen und Kindergärten, eine Maßnahme des Jobcenters machte den Aufbau der Hochbeete möglich. Zum ersten Familiensonntag waren gleich 100 Gäste da. Ute Koopmann freut sich über diesen Erfolg: „Es lohnt sich, dauerhaft in dieses Projekt zu investieren.“ Auch, was die personelle Ausstattung betrifft. Mit Ehrenamtlichen allein sei das auf Dauer nicht zu machen.

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