21. Mai 2017
Kultur

Geisel-Floßfahrt auf der Oker

Braunschweig.

Schlägt die Emotion das Faktum, wenn wir uns eine Meinung bilden? Dieser Frage nach dem Postfaktischen geht das Sommertheater auf der Oker in dieser Spielzeit nach. Das Werk von Kurt-Achim Köweker ist kein Konsumier-Stück, viel mehr ein Grübel-Stück. Ein bisschen Tatort, ein bisschen Gesellschaftskritik und, wenn man sich drauf einlässt, eine Menge zum Nachdenken über eigene Denkstrukturen. Den anspruchsvollen Unterton muss man sich während der anderthalbstündigen Vorstelltung teilweise selbst erarbeiten. Aber das stört nicht. Die Kernfragen: Was ist wahr? Was ist recht(ens)? Wie leicht lässt man sich in die Irre führen? Und habe ich hier einen Kriminellen vor mir oder nicht?

Das Gerüst der Geschichte ist schnell erzählt: Ein Mann, der sich später als Martin Ferme vorstellt, „entert“ ein Floß auf der Oker, nimmt das erwartungsfrohe Publikum als Geiseln. Ob im kriminiellen oder theatralischen Sinne, das bleibt unklar. Serafin erzählt diese Geschichte, die er einst erlebt habe und wechselt dabei zwischen seiner Beobachter-Rolle vom damals, dem Gegenwarts-Serafin und dem Piraten. Dabei bezieht er die Zuschauer mit ein. Das macht er unaufgeregt sensibel oder mal forsch. Die Floßbretter, die die Welt bedeuten bieten den passenden Rahmen für das Stück. Das passt.

Das Stück lebt derweil auch von der „Mitarbeit“ der Zuschauer. Bei der Premiere fand sich darunter ein überraschend überragender Solist. Die Anwohner entlang der Fahrtstrecke können sich schon mal auf einige Interpretationen von Rudi Schurickes Schlager-Hit „Capri-Fischer“ (Wenn bei Capri die rote Sonne im Meer versinkt…) einstellen. Am Ende jedenfalls steht ein unterhaltsamer Abend. Tenor: „Reality-TV gibt es jetzt ja vielleicht auch im Theater“, wie Ferme es vermutet. Bei Weitem nicht stumpf wie in der Flimmerkiste, sondern auf die spaßige Theater-Art.

Und Theater ist es, was die Verantwortlichen da auf den Fluß bringen. Serafin ist kein Vorleser. Er zieht die Zuschauer richtig gut in die Geschichte rein. Nicht aalglatt, vereinzelte Versprecher tragen der Authenzität sogar bei, sondern packend. Am Ende, wurde das Ende bei der Premierenfahrt so gar nicht erkannt. Da bedurfte es der wiederholten Versicherung Serafins, der Vorhang sei gefallen, ehe es den Lärmschutzbedingungen zu später Stunde angepassten Applaus gab.

„Himmelsstürmer – ein postfaktischer Krimi“ wird den Sommer über auf der Oker jeweils freitags und samstags zu erleben sein. Karten und weitere Termine unter www.oker-sommertheater.de oder über die Konzertkasse (Tel.: 0531-16606).

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