27. Januar 2017
Natur

Hass und Hunger: Harte Zeiten für Tauben

Initiative Stadttiere sieht Tierschutz verletzt und will „Taubenhasser“ für ihre Pläne gewinnen.

Wer Stadttauben füttert, muss mit hohen Bußgeldern rechnen. Foto: Imago/Horn Pigeons Symbolic image Copyright Horn Eibner Press photo EP_BHN

Von Marion Korth, 28.01.2017.

Braunschweig. Nicht, dass dieser Winter bislang sibirisch zu nennen gewesen wäre, trotzdem hat die kalte Jahreszeit den Finger auf eine Wunde gelegt: „Wir haben definitiv ein Tierschutzproblem in Braunschweig“, sagt Beate Gries, Sprecherin der Initiative Stadttiere. Als Folge von Kälte und Futtermangel seien die Tiere unter dem dichten Federkleid abgemagert bis auf die Knochen.

300 Gramm wiegt eine gesunde Taube normalerweise, aber die Tiere, die jetzt in Braunschweig gewogen wurden, brachten gerade 150 bis 170 Gramm auf die Waage und sind „dem Hungertod nah“, sagt Beate Gries. Ein unhaltbarer Zustand, wie sie findet. Das in Braunschweig geltende Fütterungsverbot auf öffentlichen Flächen komme in der aktuellen Situation einem Verstoß gegen das Tierschutzgesetz durch aktives „Verhungernlassen“ gleich.

In den vergangenen Tagen hatte die Initiative mit Unterstützung eines früheren Mitarbeiters des Vogelparks Walsrode einzelne schwache und verletzte Tiere eingefangen. Sie hätten sich so gierig auf das Lockfutter gestürzt, dass ein Mal gleich fünf Tauben auf seinen Arm geflogen seien – ungewöhnlich selbst für Stadttauben. Weil sie nicht genug zu fressen finden würden, laufen die Vögel ungewöhnlich viel, suchen im hinterletzten Winkel nach Fressbarem. Etliche haben sich dabei mit ihren Füßen in Schnüren und Plastikmüll verfangen. Um sie ging es in erster Linie bei der Fangaktion, sie wurden verarztet oder ihre abgeschnürten Zehen sogar amputiert. Dabei zeigte sich, wie mager die Tauben sind.
Beate Gries will nicht missverstanden werden, sie ruft nicht zu zivilem Ungehorsam und einem Verstoß gegen das seit 2003 geltende Fütterungsverbot auf, wünscht sich aber Unterstützung von der Stadtverwaltung. Ihr Vorschlag: ein oder zwei betreute Futterstellen einrichten, um den Tieren über den Winter zu helfen. Eine Notmaßnahme, keine Dauereinrichtung.

„Wir brauchen ein Stadttaubenmanagement“, fordert sie, „Leute, die Tauben hassen, die müssten uns unterstützen, denn wir holen ihnen die Tauben vom Dach“. Sie berichtet von Erfahrungen aus anderen Städten. Dort wurden Taubenschläge aufgebaut, wo die Tiere gefüttert werden. Die Eier in den Nestern werden fast alle gegen Gipseier ausgetauscht. So werde der Tierbestand wirksam reguliert und noch einen Vorteil habe das Ganze: Der Taubenkot landet an Ort und Stelle und nicht auf den benachbarten Häusern und Plätzen. Eine wirksame und bezahlbare Lösung, meint Gries. Unter einem Dachboden eingerichtet, kostet ein solcher Taubenschlag höchstens 6000 Euro, der Personalaufwand für Fütterung und Säuberung halte sich gleichsam in Grenzen.

Die Stadt hält wenig von den Vorschlägen der Tierschützer: „Das Fütterungsverbot ist nicht nur eine wirksame, sondern auch eine ökonomisch und tierschutzfachlich vertretbare Maßnahme, um die Taubenpopulation zum Schutz der Öffentlichkeit zu vermindern. Tauben sind anpassungsfähig und suchen sich Lebensräume, in denen sie ausreichend Futter finden. Das Verbot bewirkt also eben kein ’Verhungernlassen’.“ Einen Verstoß gegen das Tierschutzgesetz sieht die Verwaltung nicht. Auch keine besondere Situation, da der Winter nicht sehr kalt sei. Und außerdem: „Es passt nicht zusammen, einerseits eine Regulierung des Taubenbestandes zu verfolgen und andererseits wildlebende Tauben in bestimmten Zeiten zu füttern.“

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