Seattle. Das klang immer nach Musik in meinen Ohren. Genauer: nach Grunge-Rock. Als die Band Nirvana vor rund dreißig Jahren die Grenze zwischen Underground und Mainstream durchbrach und mit ihr auch andere Musiker aus der Stadt und dem Umland für große Plattenfirmen interessant wurden, beeinflusste sie eine ganze Jugendkultur. Trotz ihres kurzen Bestehens von nur sieben Jahren hinterlässt sie noch heute eine sichtbare Spur im globalen Musikbusiness – und in der Stadt Seattle.
Im großartigen Museum of Pop Culture würdigt eine detailreiche Dauerausstellung das Trio aus Kurt Cobain, Krist Novoselic und Dave Grohl. Angefangen mit ersten Kassettenaufnahmen und von Cobain kaputt gehauenen Gitarren sind (fast schon ikonische) Ringel-T-Shirts und natürlich viele private Fotos aus der Anfangsphase der Band zu sehen.
Während sich meine Augen an den Papierfarbbildern festsaugen, die enthusiastische und fröhliche junge Musiker zeigen, fühle ich mich in die Zeit meiner eigenen ersten Band Mitte der 90er zurückversetzt, Subsistence Level. Über ein paar Auftritte in Hondelage und Umgebung sind wir mit unserem Geknüppel zwar nie hinausgekommen, aber die Begeisterung wohnt ja jedem kreativen Aufbruch inne.

Einer der Hondelager, die der Rockmusik immer schon zugetan waren, ist Hauke. Zusammen besuchten wir die Grundschule im Dorf, später die Ricarda-Huch-Schule und noch später die ein oder andere legendäre Party. Heute stehe ich mit Hauke in der Küche eines schönen Hauses in Seattle, wir bereiten ein Chili zu. Er wohnt mit seiner Frau Sasha und den drei gemeinsamen Kindern seit einem Jahr in dieser tollen Stadt, Katharina und ich besuchen sie hier. Vorher hat die Familie bei San Francisco gelebt, Hauke arbeitete als Entwickler im „Silicon Valley“ viele Jahre bei Google und Facebook. Dort aber habe es ihm nicht mehr gefallen. „Ich war zum Schluss mehr Manager als Entwickler“, sagt er, „aber viel spannender finde ich es, etwas Neues aufzubauen.“
Vor rund einem Jahr gründete er mit zwei Mitstreitern ein Start-up und entwickelt seitdem Roboter für mittelgroße landwirtschaftliche Betriebe. Dabei geht es um verschiedene Anwendungsmöglichkeiten für Transport, Ernte, das Pflügen oder die Verteilung von Düngemitteln. Ein Farmer in Kalifornien erprobt die Roboter seit vielen Monaten und sei begeistert, berichtet Hauke. Der Umzug nach Seattle war für den Braunschweiger und seine Familie der richtige Schritt, die Kinder gehen in eine deutsche Grundschule gleich um die Ecke, die Menschen seien sehr offen und freundlich – und die musikalische Subkultur nach wie vor extrem lebendig.
Über den Autor

Vor seiner Auszeit war er Redakteur im JHM Verlag. Jetzt ist Torben Dietrich sechs Monate lang auf Reisen und berichtet in der NB über seine Erlebnisse und Begegnungen.