12. Juni 2020
Politik

„Kein Mensch kommt als Rassist auf die Welt“

Nach dem Tod von George Floyd in den USA trafen sich Menschen auf dem Kohlmarkt, um zu demonstrieren

Dicht an dicht drängten sich die Menschen am Sonntag auf dem Kohlmarkt und demonstrierten gegen Rassismus und Polizeigewalt. Fotos (2): BZV-Archiv/Jonscher

Innenstadt. Der brutale Tod des Schwarzen George Floyd bei einem Polizeieinsatz in den USA bewegt auch die Löwenstadt. Die Menschen gehen auf die Straße und setzen sich gegen Rassismus und Polizeigewalt ein. Am Sonntag kamen mehr als 2000 Menschen zu einer Kundgebung auf dem Kohlmarkt zusammen. Veranstalter war Braunschweigs Grüne Jugend. Wir sprachen mit Hauptredner

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Herr Logosu-Teko, warum ist es für Sie wichtig auf die Straße zu gehen, um gegen Polizeibrutalität und Rassismus zu demonstrieren?
Weil die Mehrheitsgesellschaft und die Betroffenen das Problem sehr unterschiedlich wahrnehmen. Gerade darin liegt die Brisanz der Sache: Denn die einen sehen das Ausmaß und die Dringlichkeit des Problems nicht oder nur begrenzt; die anderen rufen nach Lösungen, die tatsächlich längst fällig sind. Kundgebungen und Demonstrationen sind daher ein wichtiges Instrument, um die Öffentlichkeit wachzurütteln, zu sensibilisieren. Natürlich reicht das alleine bei Weitem nicht aus.

Hauptredner Adama Logosu-Teko.

Was muss sich ändern? Was können wir gegen Rassismus tun?
Gefragt ist meines Erachtens ein Bündel von Maßnahmen mit den Zielen, alle Beteiligten über ihre Rechte und Pflichten aufzuklären, die Opfer zu beraten, ihnen Hilfe und juristischen Beistand anzubieten. Ich warne dennoch davor, die Polizei als Ausführungsorgan des Staates unter Generalverdacht zu stellen. Die Politik ist hier gefragt. Die Polizei ist erst am Ende der Handlungskette. Übrigens, auch bei der Polizei gibt es sicher viele Menschen, die sich mit solchen Zuständen unwohl fühlen. Denen muss man den Rücken stärken und gleichzeitig generell bei der Ausbildung ansetzen und Weiterbildungsmöglichkeiten für die Führungsebenen anbieten. Noch gefährlicher und noch subtiler ist der strukturelle Rassismus etwa in der Schule, in der Verwaltung, im öffentlichen Leben, auf dem Arbeitsmarkt, auf dem Wohnungsmarkt, im Sport. Wie man sieht, die Baustelle ist viel größer und kann nicht auf eine Berufsgruppe reduziert werden. Daher brauchen wir eine umfassende Lösung! Ich setze eine große Erwartung in die Einrichtung einer kommunalen unabhängigen Anti-Diskriminierungsstelle, bei der alle – wirklich alle – frei und in einem geschützten Vertrauensraum Diskriminierungsvorfälle melden können. Darüber hinaus müssen Sozialisierungsstrukturen auf den Prüfstand gestellt werden. Denn kein Mensch kommt als Rassist auf die Welt. Man wird als Rassist sozialisiert.

Wie kann man als außenstehende Person helfen, wenn man Zeuge einer solchen Situation wie in den USA wird?
Ich kann dringend empfehlen, den Vorfall mit dem Handy zu dokumentieren, Zeugen gleich vor Ort zu alarmieren und die Staatsanwaltschaft einzuschalten. Sollte das nicht helfen, empfehle ich, sich an die Öffentlichkeit und die Politik zu wenden. Wir dürfen nicht vergessen, dass das Grundgesetz im Artikel 3 unter anderem Diskriminierung wegen der Herkunft verbietet.

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