Braunschweig. Ein Jahr lang musste der Verein für sexuelle Emanzipation, kurz VSE, Klinken putzen. 2018 war dem Veranstalter des „Sommerlochfestivals“ der wichtigste Sponsor, die Volkswagen Financial Services AG, weggebrochen. Wie der Verein trotz knapper Mittel das Festival stemmen will und warum Aufgeben keine Option ist, erklärt Pressesprecher Björn Waldmann in einem Interview.

! Am Freitag (26. Juli) startet das „Sommerlochfestival“ unter dem Motto „Gay for one Day“ mit einem zweiwöchigen Programm. Es ist damit nicht kürzer als früher. Konnten Sie das finanzielle Loch, das durch den Wegfall eines finanzkräftigen Sponsors gerissen wurde, stopfen?
? Nein. Wir müssen nach wie vor ganz schön werben; immerhin stellte Financial Services jedes Jahr eine fünfstellige Summe bereit. Letztlich finanzieren wir das Festival jetzt zum Großteil aus Spenden, hinzu kommen Fördergelder und ein paar „Bordmittel“ unseres Vereins. Zudem läuft zurzeit noch eine Crowd-Funding-Aktion.
? Wie ist die Resonanz?
! Gut, aber wir sind weiterhin für jede Unterstützung dankbar.
? Was ist anders bei diesem „Sommerlochfestival“?
! Es ist regionaler. Das Programm bestreiten lokale Gruppen wie zum Beispiel die Queer Teachers oder eine Wandergruppe. Und bei der Abschlusskundgebung stehen überwiegend regionale Bands und Sänger auf der Bühne. Was wir nicht wollten: Das Festival zeitlich kürzen – das wäre ein falsches Signal.
? Könnten das „Nein“ von Financial Services und der Kampf um Spenden nicht auch bedeuten, dass das Thema „Gleichstellung von Schwulen und Lesben“ inzwischen kein Thema mehr ist?. Dass die Ziele, für die der Verein und der CSD eintreten, verwirklicht sind?
! Das denke ich nicht. Ja, es gibt die Ehe für alle und ja, viele Unternehmen pflegen mittlerweile eine offenere Kultur. Doch schauen Sie über die Grenzen: In den Ländern mit einer starken rechtsnationalen Strömung scheinen die Uhren gerade zurückgedreht zu werden. In Polen etwa wird die gleichgeschlechtliche Ehe vehement abgelehnt. Und Jair Bolsonaro, der brasilianische Präsident, durfte erst im Juni ungestraft sagen, dass er „lieber eine toten als einen schwulen Sohn“ hätte. Das Thema ist also hoch aktuell – auch 50 Jahre nach dem ersten Christopher Street Day. Unser Wunsch ist, den Artikel 3 des Grundgesetzes zu erweitern. „Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich“ heißt es da – das sollte auch für Homo- und Transsexuelle gelten.“
? Wie viele Besucher erwarten Sie?
! Das variiert von Jahr zu Jahr. 2018 liefen bei der CSD-Parade so viele Menschen mit wie noch nie – 4000. Das ist toll. Was mich besonders freute: Vor allem viele junge Teilnehmer waren dabei. Die Parade ist tatsächlich mehr als das Bekenntnis: Ich bin lesbisch oder homosexuell. Sie ist eine Demonstration für eine offene, tolerante Gesellschaft und trifft damit den Nerv der Zeit.
INFO
Das Programm des „Sommerlochfestivals“ ist unter www.csd-braunschweig.de zu finden. Dort sind auch verschiedene Möglichkeiten angegeben, wie das Sommerlochfestival finanziell unterstützt werden kann.