Kann sich eine einzige Saison so tief ins Herz graben? Sie kann! 56 Jahre ist der Pokalsieg von Eintracht Braunschweig her – und doch ist es der Moment, der am nachhaltigsten in den Köpfen geblieben ist. „Mein Herz leuchtete in Blau und Gelb“, schrieb uns Angelika Alpert über den legendären 34. Spieltag im Jahr 1967.
Wie weitere NB-Leserinnen und -Leser hat sie sich an unserem Aufruf beteiligt und uns ihre Stadion-Geschichte erzählt. Die Arena an der Hamburger Straße, das wird ganz schnell klar, ist Heimat und Familie – längst nicht mehr nur für gebürtige Braunschweiger, sondern für Fans aus der ganzen Welt. Und wie in einer richtigen Familie gibt es schöne und ernste Momente, große Harmonie und auch mal einen ordentlichen Krach. Hier einige Geschichten:
Mit Spielern und Trainern auf Du und Du. Jürgen und Hannelore Mönig waren 36 Jahre lang Stadionwirte
„Hier. Diese vier Fenster gehörten auch zur Gastronomie“, deutet Jürgen Mönig mit dem Zeigefinger an. Er steht in der Zufahrt unter dem Treppenaufgang zum Stadion, nüchterner Beton um ihn herum. „Das sind jetzt alles Zweckräume“, sagt der 82-Jährige und stellt fest: „Das hat sich alles total verändert.“
Mehr als 30 Jahre betrieben Jürgen Mönig und seine Frau Hannelore die Stadion-Gastronomie. Versorgten Fans, Trainer, Spieler und Funktionäre mit warmem Essen und Getränken. 1963 stiegen zunächst die Eltern Jürgen Mönigs offiziell ins Geschäft ein, später standen Sohn und Schwiegertochter hinterm Tresen. Die 60er und 70er Jahre gehören für beide zu den schönsten Erinnerungen.

„Nach jedem Samstag-Heimspiel trafen sich die Spieler am Sonntagvormittag bei mir zum Frühschoppen, während Trainer Helmuth Johannsen mit seinen Gästen im ‘Bundesligaraum’“ – heute würde man ‘VIP-Raum’ sagen – saß“ erzählt der heutige Rentner. Auch im Meisterschaftsjahr 1967, nach dem letzten Auswärtsspiel in Essen, fand ein kurzer Ausklang im damaligen VIP-Raum statt. Mannschaft, Spieler-Frauen und Eintracht-Verantwortlichen hatten sich versammelt. „Und im Lokal feierte die große Fan-Gemeinde schon die Meisterschaft, obwohl das letzte und entscheidende Heimspiel gegen Nürnberg ja noch anstand“, lacht Jürgen Mönig. Man rechnete damals die Tabellensituation durch und war sich einig: Eintracht wird das Heimspiel gegen Nürnberg gewinnen.
Die Familie war mit allen per Du. Branko Zebec, Eintracht-Trainer in den 70er Jahren, spielte mit dem Vater von Jürgen Mönig Karten und wurde von Hannelore Mönig mit Rinderbraten und Trockenbrot versorgt – sein Lieblingsessen. Die Mönigs schafften sogar etwas, was heute unglaublich klingt: Sie verlegten ein Spiel der Zweiten Bundesliga. „1993 feierte meine Frau ihren 50. Geburtstag. Der fiel damals auf einen Samstag, und eigentlich hätte Eintracht Bayer Uerdingen empfangen sollen“, sagt Jürgen Mönig. Ungünstig also. Man besprach sich ausführlich im Verein, holte kurzerhand Bayer Uerdingen mit ins Boot und – zog das Spiel vor auf den Freitagabend. „Eintracht war und ist Familie“, bringt es Mönig auf den Punkt.
Dass es am Ende zwischen dem Ehepaar und den Verantwortlichen krachte, hängt dem 82-Jährigen immer noch nach, selbst nach 24 Jahren. 1999 gaben die Mönigs nach vielem Hin und Her und juristischen Kontroversen ihre Gastronomie auf. Eintracht sind sie dennoch treu geblieben: 15 Jahre lang war Jürgen Mönig noch Co-Vorsitzender des Senioren-Sports, er ist seit 59 Jahren Mitglied des Vereins, Ehefrau Hannelore seit 52 Jahren und Sohn Karsten wurde direkt bei seiner Geburt im Meisterschaftsjahr 1967 angemeldet. Von ihrem Zuhause am Schwarzen Berg ist es nur ein Katzensprung zum Stadion. Dass sie je ihre Verbundenheit zu Eintracht aufkündigen – undenkbar!
Bewegung 18. Mai
Besondere Stadion-Momente gibt es für den Fanclub „Bewegung 18. Mai“ in Block 6 immer dann, wenn dort Eintracht-Fans aus der weiten Welt zusammen stehen. So wie hier bei einem Spiel gegen Fortuna Köln im August 2018. In der Bildmitte ist Will Larson aus Austin/Texas zu sehen. „Die Eintracht verbindet die Welt!“, schreibt Malte Schumacher.
Eintracht-Fan Angelika Alpert
„1967 war ich elf Jahre alt und habe im Stadion miterlebt, wie Eintracht Braunschweig ‘Deutscher Fußballmeister’ wurde. Es war ein echtes Wunder,und die Stimmung der Fans war so voll überschäumender Freude, das mein Herz in Blau und Gelb leuchtete. Nach dem Spiel sammelte ich Pfandflaschen auf, denn wir waren arm und ich konnte mir auf diese Weise 25 D-Mark verdienen. Davon kaufte ich meinen älteren Bruder eine Eintracht-Braunschweig-Fahne. Er trainierte damals in der Jugendmannschaft, als kleine Schwester habe ich ihm immer die Fußballschuhe geputzt. Mir selbst ergatterte einen Eintracht-Schal und ging stolz nach Hause. So ist es geblieben. Unsere ganze Familie ist Eintracht-verrückt – in guten und in schlechten Zeiten. Mein Sohn Mike hat zudem am 17. Juni Geburtstag: passend zum Jubiläum des Stadions. Wie heißt es so schön: Einmal Eintracht, immer Eintracht!“