24. April 2023
Aktiv

Mit der Inlandsbahn in den Norden Schwedens

Globetrotter Reinhard Pantke war mit dem Zug auf der ältesten Eisenbahnstrecke Schwedens unterwegs

Die Inlandsbahn führt von Kristineham nach Gällivare.  Foto: Reinhard Pantke

Irgendwo auf freier Strecke hält der Zug scheinbar grundlos und aus einem im Wald versteckten, rotem Holz-Häuschen schlendert eine Frau mit einem großen Korb Kartoffeln heran. Zugbegleiterin Marie umarmt sie und erklärt uns gleich danach: „Das ist nur meine Mutter, oft wenn ich Dienst habe und vorbei komme, bringt sie mir einige der besten Kartoffeln Schwedens mit!“ In Deutschland wäre diese Szene wohl undenkbar, aber wir sind mit der „Inlandsbanan“ in der Wildnis Nordschwedens unterwegs und unsere Zugbegleiterin ist noch für viel mehr zuständig: Sie versorgt uns lebendig, gut gelaunt und mehrsprachig mit wissenswerten Details und Kaffee oder schmettert auch schon mal mit anderen Mitreisenden die lokalen Hymnen.

Die stete Hintergrundmelodie der Fahrt ist das meditativ-monotone Rattern und Klackern des Zugs, gelegentlich unterbrochen durch lautes Hupen, mit dem der Lokführer die Rentiere an und auf den Gleisen verscheucht. Manchmal steigt er auch aus, um Weichen oder Signale an der Strecke umzustellen oder Pakete einzusammeln und auszuliefern. Für einige Kilometer darf ich ausnahmsweise neben ihm im „Logenplatz“ sitzen und die einzigartige Landschaft aus dem Führerhaus genießen.

Wer mit der Inlandsbahn reist, sollte keine Geschwindigkeitsrekorde und Luxuszüge erwarten. Nachdem der Passagiertransport in den 80er Jahren gegen die Proteste der Einheimischen offiziell eingestellt wurde, war der Bedarf so groß, dass man sich entschloss, zwischen Mitte Juni und Mitte/Ende August einen regelmäßigen Liniendienst mit maximal zwei täglichen Verbindungen zwischen Mora, Östersund und Gälliväre durchzuführen.
Die Bahnfahrt in das Reich der Mitternachtssonne ist ein „Transportereignis“, das Einblicke in die vielfältigen Landschaften zwischen Mittelschweden und Lappland bietet. Allein für das 700 km lange Teilstück des zweiten Tages zwischen Östersund und Mora braucht der Zug über 13 Stunden. Am Fenster ziehen riesige Wälder, unzählige in der Sonne glitzernde See, dunkle Moore und kleine verschlafene Orte vorbei, die manchmal noch heute besser mit dem Zug als auf einer Straße ansteuert werden sollten. Immer wieder stoppt der Zug, unsere charmante Marie führt uns zu kleinen Cafés, Museen oder gelegentlich einer Bärenhöhle entlang der Strecke. Besonders das Eisenbahnmuseum in Sorsele erzählt viel von den Zeiten, als hier noch der wilde Norden Schwedens war.

Bunte Gesellschaft

So vielfältig wie die Landschaften sind auch die Mitfahrer: Wildnis-Wanderer mit riesigen Rucksäcken, die auf dem berühmten „Kungsleden“- Wanderweg unterwegs sind; ältere Leute, die es in ihr Sommerhäuschen zurückzieht, ja sogar „Büromenschen“ mit Aktenkoffern. Auch Fahrräder, Hunde und ein kleines Kanu werden sicher im kleinem Zug verstaut. Irgendwann werden Mittags- und Abendbrotzeit ausgerufen und Lokführer, Schaffner und Passagiere stapfen erst einmal seelenruhig zu einem an der Strecke gelegenem Restaurant, um dort eine Stunde Pause einzulegen! Das Essen sucht man sich vorher im Zug aus.

Wer möchte, kann nicht nur zwei Tage mit der Eisenbahn unterwegs sein, sondern die Reise mit Wander/Sightseeing- und Outdooraktivitäten beliebig ausdehnen. Viele Reisende zieht es von Gälliväre aus zu Beispiel auf Teilen der Erzeisenbahn nach Narvik in Norwegen, um die Lofoten und Vesteralen oder Norwegens Norden zu erkunden.

Die Strecke

Die insgesamt fast 1300 Kilometer lange gesamte „Inlandsbanan“ führte von Kristineham nach Gällivare, wo sie mit der Eisenerzbahn und somit der norwegischen Küste verbunden ist. Zwischen Anfang/Mitte Juni und Ende August verkehren die Personenzüge zwischen Mora – Östersund (1. Tag) und Östersund – Gällivare (Tag 2). Im Winter fahren die Züge zum Samen-Markt in Jokkmokk. Der südliche Abschnitt der Strecke zwischen Kristinehamm und Mora wird nur noch mit Bussen befahren. Die lange Zeit existierende Winterverbindung zwischen Mora und Östersund wurde in diesem Winter 2022/2023 nicht bedient, es ist aber geplant, sie wieder einzuführen.

Die Richtung ist beliebig zu wählen, es gibt Pässe zu kaufen, die das Befahren über längere Zeiträume ermöglichen. Auch wenn man die Strecke theoretisch in zwei Tagen abfahren kann, sollte man sich mindestens eher drei bis vier Tage Zeit nehmen, um die Orte und Sehenswürdigkeiten entlang der Strecke kennenzulernen. Insbesondere Mora, Östersund und Jokkmokk bieten viele Möglichkeiten auch für längere Stopps. Achtung: Auf der Inlandsbanan werden, sofern Platz in den Zügen ist, Fahrräder befördert, die Mitnahme kann online gebucht werden. Für Radfahrer sind diese Züge die einzige Möglichkeit mit Rad und Zug nordwärts zu gelangen, da die schwedische „Sj“ keine Fahrräder befördert.
Weitere Infos, Preise und Zeiten unter: https://res.inlandsbanan.se/en.

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