Braunschweig. In die Welt geworfen, mutterseelenallein. Was denkt und fühlt ein viel zu früh geborenes Kind, das nicht einmal zwei Kilo wiegt, dessen Atmung manchmal stockt?
Es liegt im Inkubator, die Lüftung surrt. Schläuche und Technik, fremde Hände und fremde Stimmen. Und immer öfter: Mama. Und wenn die nicht da ist, zum Beispiel in der Nacht, dann übernimmt die Babybe-Matratze, die die Atmung der Mutter simuliert, das sanfte Auf und Ab des Brustkorbes, so als liege das Baby bei ihr auf dem Bauch. Das beruhigt und hilft bei der Erholung.
Das Klinikum Braunschweig beteiligt sich als erstes Krankenhaus in Niedersachsen an einer bundesweiten Studie, die den Praxisnutzen der Hightech-Matratze messbar machen soll. Mit Unterstützung der Techniker Krankenkasse und des Fördervereins wurden zwei Matratzen angeschafft. Die Entwicklung von 26 Frühchen soll im Rahmen der Studie untersucht werden.
Die Erwartungen sind hoch: weniger Stress, weniger Atemaussetzer, stabilere Herzfrequenzen, schnellere Gewichtszunahme. Zudem soll eine Kontrolluntersuchung nach zwei Jahren Erkenntnisse über Spätfolgen bringen. Ehemalige Frühchen leiden beispielsweise auffällig häufig unter Konzentrationsstörungen.
Es ist keine Frage, dass die elterliche Nähe Wunder bewirkt. „Die elternleere Station war vor 20 Jahren Standard“, sagt Dr. Jost Wigand Richter, Leitender Abteilungsarzt der Abteilung für Neonatologie und pädiatrische Intensivmedizin. Für ihn heute unvorstellbar. Wenn die Eltern es einrichten könnten, hätte er sie am liebsten rund um die Uhr beim Baby. Räumlich ist das nicht zu machen, organisatorisch auch nicht. Mama oder Papa müssten schließlich gleich für drei Monate oder länger ins Klinikum ziehen.
Als das Klinikum davon abrückte, Mutter und Frühgeborenes in getrennten Betten auf die Station zu bringen und stattdessen damit begann, das winzige Kind mit allen Apparaten der Mutter ins Bett zu legen, war das schon ein riesiger Schritt. „Wir brauchten weniger medizinische Intervention“, erzählte Stationsleiterin Lydia Schneider. Sie bindet die Eltern gezielt in die Pflege der Frühchen ein, damit eine Bindung wachsen kann. So zerbrechlich die Winzlinge auch aussehen, noch nie hätte eines in den Händen der Eltern Schaden genommen.
Damit Mama oder Papa gefühlt immer da sind, hat ein Start-up-Unternehmen aus Stuttgart die Babybe-Matratze entwickelt. Ein Gerät in Form einer Schildkröte nimmt Atmung und Herzgeräusche von Mutter oder Vater auf, eine siebenminütige Frequenz wird in einer Schleife wiederholt. Ein Luftstrom hebt und senkt die Unterlage im Takt, Stimmen könnten über Luftschall übertragen werden. Sogar in Echtzeit. Für die Studie wird die Spezialmatratze zwischen 21 und 6 Uhr eingesetzt. Parallel wird eine Kontrollgruppe umsorgt wie bisher.