Von Ingeborg Obi-Preuß, 05.02.2014
Braunschweig. Es gibt einen zusätzlichen „Entwicklungsschwerpunkt“ und zur Zukunft der Region darf die Verwaltung Gespräche führen – hartes Ringen gestern im Rat für diese Beschlüsse.
Ein Elektronik-Fachmarkt ist ausgeschlossen am Standort Heinrich-der-Löwe-Kaserne, alles anderes sei offen. „Wir stecken im Bebauungsplanverfahren“, betonte Oberbürgermeister Dr. Gert Hoffmann, „die Debatte geht doch jetzt erst los.“ Der Untergang der Innenstadt jedenfalls stehe nicht bevor.
Es war sein „Tag der offenen Worte“; der Verwaltungschef nahm die Sitzung auf der Zielgeraden zu seinem Ruhestand (Ende Mai) wahr, um zu sagen, dass ihn die „reflexartige Ablehnung“ auf seine Vorschläge bei bestimmten Gruppierungen auf die Nerven gehe.
„Die Innenstadt gut geschützt“
Wie berichtet hat Investor Kanada-Bau seit geraumer Zeit Interesse an dem Standort. Brisanz sei erst in die Diskussion gekommen, als klargeworden sei, dass das Zentrenkonzept geändert werden müsse, sagte Oberbürgermeister Dr. Gert Hoffmann. Ein ursprünglich geplanter Autohof ist lange vom Tisch, jetzt geht es um einen „Businesspark“. Der Rat der Stadt appelliert in dem Beschluss an alle Beteiligten, in der jetzt zu führenden Debatte eine tragfähige Lösung zu erarbeiten, „bei dem sowohl der Investor als auch die Einzelhandelsverbände, der Großraumverband und die Stadtverwaltung ihre Kompromissfähigkeit unter Beweis stellen“, heißt es in der Vorlage.
Denn die Debatte läuft recht hitzig. Ist der Standort an der Kaserne integriert? Dafür muss er zur Nahversorgung dienen, heißt: Es muss auch für Wohnraum gesorgt werden. Und welche Sortimente dürfen angeboten werden? Diese Frage würde in einem späteren Bebauungsplanverfahren geklärt werden, betonte Stadtrat Heinz-Georg Leuer. Während die Befürworter des Beschlusses (CDU, SPD und Grüne) betonten, dass das Zentrenkonzept kein Artenschutz für inhabergeführte Geschäfte in der Innenstadt bedeute, betonten Bibs und Die Linke gerade diese Position.
Die Heinrich-der-Löwe-Kaserne sei ein nichtintegrierter Standort, sagte Dr. Wolfgang Büchs (Bibs), es werde ein Präzedenzfall für jeden Investor geschaffen, befürchtete Gisela Ohnesorge (Die Linke).
Manfred Pesditschek (SPD) erinnerte an die Anfänge des Zentrenkonzeptes, das 1989 geschaffen worden war, um großflächige Einkaufszentren auf der grünen Wiese zu verhindern. „Es soll dafür sorgen, dass die Besucher in die Innenstadt kommen und ist kein Konkurrenzschutz“, betonte er.
Reinhard Manlik (CDU) bedauerte, dass die ursprüngliche Planung eines Autohofes an dem Standort am Widerstand der Anwohner gescheitert sei. „Einzelhandel bringt ein Vielfaches an Verkehrsbelastung“, sagte er. Auch er erteilte möglichem Konkurrenzschutz eine Absage: „Handel ist Wandel“, machte er klar und mit Blick auf die Opposition bei diesem Thema sagt er: „Sie schützen die Immobilienbesitzer in der Innenstadt, die dafür sorgen, dass die Mieten so schön hoch bleiben.“
Holger Herlitschke (Die Grünen) erinnerte, dass das Zentrenkonzept immer wieder angepasst werden musste. „Die größte Anpassung war zum Bau des ECE-Centers nötig“, sagte er. Und schon bald werde eine Veränderung für eine Belebung der westlichen Innenstadt nötig werden. Als Vorsitzender des Planungsausschuss allerdings räumte Herlitschke Fehler ein: „Wir haben zu wenig miteinander gesprochen, viele fühlen sich nicht mitgenommen.“ Es bestehe aber auf allen Seiten der Wunsch, eine Lösung zu finden.
Carsten Müller von der CDU warb für einen offenen Diskurs und warnte davor, problematische Lagen mit dem Zentrenkonzept zu schützen. „Das verlängert nur das Leiden und das Vegetieren“, sagte er. Als Beispiele nannte das Ringcenter am Bahnhof, das nicht mehr zeitgemäß sei oder auch halbzerfallene Einzelhandelsflächen an der Berliner Straße. „Wir konservieren mit dem Zentrenkonzept auch so etwas“, warnte er.
Oberbürgermeister Dr. Gert Hoffmann forderte zum Schluss der Debatte Lob vom Handel ein. „Wir sind vorbildlich, was den Schutz der Innenstadt betrifft“, sagte er für sich und seine Verwaltung. „Ich habe viele Gespräche geführt mit Anbietern, zig Angebote abgelehnt, wir haben viele Riesenmärkte verhindert.“ Viel dramatischer als das, was an der Kaserne möglicherweise entstehe, sei die Bedrohung des Handels durch das Internet. Auch die Zukunft der Kaufhäuser betrachte er genau. „Peine und Wolfenbüttel kennen die Probleme mit Leerständen, wenn große Kaufhäuser gehen.“ Der größte und gefährlichste Leerstand sei im Citypoint gewesen und habe beseitigt werden können. „Mein Geschmack ist da nicht wichtig“, sagte er mit Blick auf das deutlich jugendliche Sortiment der Primark-Kette, die dort einzieht, wichtig sei, dass da ein großer Betrieb reingehe.
Das Zentrenkonzept sei eine politische Idee, eine Leitlinie. Der Vorschlag für den neuen Entwicklungsschwerpunkt an der Kaserne richtig. Den höchsten Einwohnerzuwachs gebe es in Rautheim. Und was solle sonst auf dem Gelände der Kaserne entstehen, das seit Jahren brachliege? „Wollen Sie für 100 Jahre ein Bundeswehrmuseum dort?“, fragte er die Gegner des Beschlusses.