7. Januar 2023
Buntes

Schaurige Storys über düstere Orte

Vergessen, verlassen, unheimlich: Ein Buch stellt 33 „Lost & Dark Places“ in Braunschweig vor

Einer der vorgestellten Lost Places: Der alte Rangierbahnhof in Braunschweig. Foto: Sarah Quast

Braunschweig. Es gibt Menschen, die haben einfach einen Hang zu den düsteren Seiten des Lebens. Sie interessieren sich für mysteriöse und finstere Ereignisse, stöbern mit Vorliebe in alten oder verlassenen Gebäuden und fühlen sich von ihnen – genau wie von Friedhöfen – magisch angezogen. Marc Halupczok ist so einer.

Gemeinsam mit der Fotografin Sarah Quast hat sich der freie Journalist und Autor in und rund um Braunschweig auf die Suche nach solchen Orten gemacht und für das Buch „Lost & Dark Places Braunschweig“ zusammengetragen. 33 sind darin verzeichnet: von Halupczok beschrieben und von Quast passend in Szene gesetzt.
Und da kommen spannende Geschichten zu Tage. Zum Beispiel, dass das Gotteshaus St. Aegidien ab 1840 als Landesstrafanstalt diente und im ehemaligen Klosterhof der Henker das Richtschwert zum Einsatz brachte. Oder dass im Mittelalter im Riddagshäuser Kreuzteich renitente Fischer ertränkt worden sein sollen. Es heißt, noch heute treiben sie dort als Geister ihr Unwesen und versuchen bei Dunkelheit Menschen mit Fackeln und Leuchten in einen der Teiche zu locken.

Humorvoll und kurzweilig erzählt der Autor, was sich an historischen Fakten und Legenden um die einzelnen Orte rankt. Die unterhalb des Doms in der Krypta bestatteten Hochwohlgeborenen werden bei ihm zu einer „ungewöhnlichen Wohngemeinschaft“. Gertrud die Ältere von Braunschweig ernennt Halupczok kurzerhand zur „Stubenältesten“, weil ihr Sarg hier eben am längsten steht. Ziemlich schaurig sind dagegen andere Passagen, wie die Schilderung von Hexenverbrennungen und Hinrichtungen im Lechlumer Holz, wo über 160 Jahre lang die Hauptrichtstätte des Fürstentums Braunschweig-Wolfenbüttel lag. Mit ihren Fotos fängt Sarah Quast die Stimmung der düsteren Orte gekonnt ein. Die seit Jahren ungenutzte Tiefgarage im Univiertel wirkt unbehaglich, die Ein-Mann-Weltkriegsbunker im Hafen beklemmend und der verlassene alte Rangierbahnhof komplett trostlos. Es gibt einiges zu entdecken im ersten „Dark-Tourism-Guide“ für Braunschweig, auch aus der Region: Die in den Felsen geschlagene Hubertuskapelle am Jägerhaus Sehlde etwa, oder die Krankenhausstollen der ehemaligen Reichswerke „Hermann Göring“ bei Salzgitter-Waten-stedt, das verfallene Waisenhaus Salzdahlumer Straße oder der Cholerafriedhof Ringelheim.
Schön auch: Für alle, die selbst auf Entdeckungsreise gehen und die beschriebenen Dark Places mit eigenen Augen sehen möchten, sind die 33 Orte mit Hinweisen zu Anfahrt und GPS-Daten versehen, zu jedem gibt es noch einen Tipp für das besondere Erlebnis. Außerdem geben die Autoren gleich noch ein paar sinnvolle Verhaltensregeln mit auf den Weg.
„Lost & Dark Places“ ist im Bruckmann-Verlag erschienen.

Fünf Fragen an: 

Wie haben Sie die 33 unheimlichen Orte gefunden?
Marc Halupczok: Durch eigene Überlegungen und über Tipps von Freunden. Sarah hat zuvor schon verlassene oder unheimliche Orte fotografiert und kannte deshalb ein paar echte Geheimtipps im Braunschweiger Land.

Was war die Herausforderung beim Fotografieren?
Sarah Quast: Das Einfangen der Vergangenheit, die eigentümliche Stimmung der morbiden Ästhetik abseits bekannter Pfade. Die bedrückende Atmosphäre alter Gemäuer besonders in Szene zu setzen, am besten in der Dämmerung. Ein gutes Beispiel sind die Bilder vom Braunschweiger Hafen, wo es zusätzlich noch sehr nebelig war. Dabei die Perspektive und Einstellungen festzulegen, den Fokus zu setzen und im richtigen Moment den Auslöser zu drücken. Dann hoffe ich, dass mir ein tolles Bild mit gespenstischer, magischer Atmosphäre gelungen ist.

Was fasziniert Sie an den verlassenen Orten?
MH: Die Geschichte, die dahinter steckt. An vielen dieser Orte fällt es nicht schwer, sich 80, 200 oder 500 Jahre zurück zu versetzen und das Kopfkino zu starten. Viele Orte wirken auf den ersten Blick unscheinbar und geben ihr Geheimnis nur preis, wenn man genauer hinschaut und sich auf die Geschichte einlässt.

Welches ist Ihr Lieblings-Lost Place?
SQ: Die Teiche in Riddagshausen besitzen in der Dämmerung eine ganz besondere Atmosphäre. Und wenn man sich dann noch die alten Sagen ins Gedächtnis ruft, kommt die richtige Stimmung auf. Außerdem finde ich den Nußberg faszinierend, wo neben den Überresten der Nazi-Diktatur heute Kinder spielen und Jugendliche chillen.

Wo würden Sie sich im Dunkeln nicht aufhalten wollen? Oder gruseln Sie sich persönlich nicht?
MH: Ich bin seit meiner Kindheit fasziniert von Friedhöfen in der Dämmerung. Am besten bei Bodennebel und leichtem Nieselregen. So fingen früher die richtig guten Filme an, und das gruselt mich bis heute.

Marc Halupczok. 

Marc Halupczok lebt als freier Journalist und Autor in Braunschweig. Seine Begeisterung für die düsteren Seiten des Lebens schlägt sich auch in seiner Arbeit nieder.

Sarah Quast

Sarah Quast lebt und arbeitet in Salzgitter. Sie fand im Fotografieren ihre wahre Passion. Ihre Bilder sind in verschiedenen Zeitungen und Büchern veröffentlicht. Seit einigen Jahren ist Quast Mitglied einer Lost-Places-Gruppe.

 

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