Schöningen/Braunschweig. Das Vorurteil, dass Neandertaler stumpfe Muskelprotze waren, die keulenschwingend und wie Affen durch die Gegend liefen, ist längst überholt. Tatsächlich waren sie dem Menschen von heute ähnlicher als bisher angenommen.
Aber: In was für einer Umwelt lebten unsere Vorfahren eigentlich?
Wie die Klimabedingungen genau aussahen, erforscht jetzt ein vom Land Niedersachsen gefördertes Projekt vom Institut für Geosysteme und Bioindikation der TU Braunschweig. Ein winziges Insekt, die Zuckmücke, spielt dabei eine Rolle. Anhand der fossilen Larven, die in den Schichten des Schöninger Tagebaus gefunden wurden – aus denen man auch die Holzspeere freigelegt hat – lässt sich viel über die damalige Zeit herausfinden.

Als die „Schöninger Speere“ vor mehr als 300 000 Jahren eingebettet wurden, bedeckte ein See die heutige Tagebaugrube. Zwischen Algen und in dessen Sedimenten haben sich nicht nur Wurfhölzer und die vor Kurzem entdeckten Knochen eines Waldelefanten erhalten, sondern auch winzige Überreste der im Wasser lebenden Mückenlarven. Das Spannende: Ihre konservierten Kopfkapseln aus Chitin schlossen Informationen zu vergangenen Umweltparameter mit ein.
„Die Forschenden können unter anderem die damaligen Sommertemperaturen, Wassertiefe und den Nährstoffgehalt des Sees an der Zusammensetzung der damaligen Zuckmückenartengesellschaften ablesen“, erklärt Laurenz Kötter von der TU Braunschweig. In Kombination mit anderen Bioindikatoren wie Kieselalgen, Muschelkrebsen oder Pollen könnten die Überreste so Klima- und Umweltveränderungen rekonstruieren. Dabei heraus kam etwa, dass bei Wintern, die nur etwas kälter waren als unsere heutigen, die Sommer teils sogar noch ein bis zwei Grad wärmer waren als heute.
In Kooperation mit dem Niedersächsischen Landesamt für Denkmalpflege soll das Forschungsprojekt um Leiterin Antje Schwalb bisherige Erkenntnisse zur Temperaturentwicklung verfeinern und weitere Infos zur Evolution innerhalb der Zuckmückenarten liefern. Übrigens: Auch heute noch sind Zuckmücken, die nicht stechen, weltweit verbreitet und kommen sogar in Extremlebensräumen vor.