Schöningen/Braunschweig. Sie sind sturmfest und erdverwachsen. So heißt es im Niedersachsenlied über die Bewohner unseres Bundeslandes. Diese Eigenschaften wurden beim diesjährigen Neujahrsempfang der IHK Braunschweig – nach 16 Jahren erstmals wieder im Landkreis Helmstedt – ordentlich auf die Probe gestellt.
Orkanböen rüttelten heftig am Festzelt, das als Anbau an das paläon in Schöningen Platz für die rund 1000 Besucher während der Ansprachen bot. Den Hinweis auf diese typisch niedersächsischen Eigenschaften ließ sich auch Ministerpräsident Stephan Weil zu Beginn seiner Rede nicht nehmen.

Die ersten Worte des Abends richtete nach einem kurzen Begrüßungsfilm jedoch IHK-Präsident Helmut Streiff an die Zuhörer: „Hinter uns liegen inzwischen zehn Jahre des Aufschwungs und ein wirtschaftlich sehr gutes Jahr 2018.“ Die Signale für einen Abschwung jedoch seien inzwischen unverkennbar: Vor allem das verstärkte Verfolgen
protektionistischer Ansätze, der Handelskrieg zwischen China und den USA, die Haushaltplanung Italiens und allen voran der zu befürchtende „harte Brexit“ sorgten für gedämpfte Stimmung auf dem Weltmarkt. Negative Anzeichen ließen sich jedoch auch direkt vor der eigenen Haustür erkennen. „Mit Blick auf Deutschland bin ich im höchstem Maße besorgt über die zunehmenden Deindustrialisierungstendenzen“, sagte Streiff und kritisierte das Vorgehen beim Kohleausstieg. Dabei gehe es ihm nicht um eine klimapolitische Grundsatzdiskussion, sondern um den anvisierten Zeithorizont. Das Ziel könne dabei nur sein, aus der Kohleverstromung auszusteigen, sobald die nötigen Rahmenbedingungen für die zuverlässige Stromversorgung mit erneuerbaren Energien geschaffen seien. Daher erwarte er, „dass jeder, der für den Ausstieg aus der Kohleverstromung plädiert, Stromtrassen, Windkrafträder und Biogasanlagen auch in seiner unmittelbaren Nachbarschaft akzeptiert.“ In der Ablehnung des interkommunalen Industrie- und Gewerbegebiets Braunschweig-Salzgitter sieht er nach wie vor eine vertane Chance, welche „uns in 20 bis 30 Jahren einholen wird“ und moniert, dass die Debatte emotional statt sachlich geführt wurde. So stehe Braunschweig nun vor dem Problem, dass es keine Industrieflächen mehr vergeben könne. Interessierte Unternehmen müssten sich daher in anderen Städten ansiedeln.
Ministerpräsident Stephan Weil wies gleich zu Beginn seiner Rede auf die tiefe Symbolik des gewählten Veranstaltungsortes hin. Vor 300 000 Jahren seien die Schöninger Speere absolute Hightech-Jagdinstrumente gewesen, heute bilde die Region Braunschweig das industrielle Herz Niedersachsens. Die aktuelle Lage des Landes umschrieb Weil launig im hannöverschen Idiom: „Kann man nicht meckern!“ Niedersachsen sei ein starker Standort, was für die Region Braunschweig ebenso gelte. „Wir haben inzwischen einen historischen Beschäftigungsrekord in Niedersachsen mit drei Millionen sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplätzen, was noch vor wenigen Jahren undenkbar gewesen wäre. Und das ist kein Strohfeuer.“ Im Zehnjahres-Vergleich der 16 Bundesländer bezogen auf das Wirtschaftswachstum, rangiere Niedersachsen nach Berlin und Bayern auf Platz drei. Die Basis für dieses Ergebnis bildeten nach Worten Weils herausragend qualifizierte Beschäftigte und eine exzellente Wissenschaft. In diesem Zusammenhang freute sich der Ministerpräsident insbesondere über das gute Abschneiden der TU Braunschweig in der Exzellenzinitiative, lobte aber auch die Unternehmen, die durch hervorragende Arbeit zum Ergebnis beitrügen.
Der Tradition folgend wurde der Neujahrsempfang wieder komplett von einer Sponsorengruppe finanziert. Die Hauptsponsoren in diesem Jahr waren die Unternehmen Avacon, Obi, die Schmid-Gruppe und Sport-Thieme. Als weitere Unterstützer förderten Amino, Volksbank eG Wolfenbüttel, Braunschweigische Landessparkasse, die Öffentliche Versicherung Braunschweig den Abend. IHK-Vizepräsident Lorenz Flatt, Mitorganisator und als Geschäftsführer der Obi zugleich Sponsor, zog ein positives Fazit. Im Anschluss an die Reden hatten die Gäste die Gelegenheit das paläon zu besuchen.