Von André Pause, 21.06.2016.
Braunschweig. Um die Vergänglichkeit, die Unwiederbringlichkeit des Live-Moments geht es in „Process, Performance, Presence“, der aktuellen Gruppenausstellung des Kunstvereins Braunschweig, die bis zum 21. August im Haus am Lessingplatz zu sehen ist.
Sechzehn internationale Positionen zeigen hier, wie der bisweilen unkalkulierbare Prozess ein Werk formt und eben jenes dadurch de facto erst ermöglicht. Die Arbeit als endgültiges Produkt wird nicht zuletzt durch die auf Gegenwärtigkeit fokussierte Wahrnehmung einmal mehr infrage gestellt. Alles ist ein bisschen so, wie von Kurt Tucholksy in seinem Gedicht „Augen in der Großstadt“ beschrieben: flüchtig. „Vorbei, verweht, nie wieder“ heißt es dort. Die Beschaffenheit einer bestimmten – hier inszenierten – Situation ist einzigartig und im Detail selbstverständlich nicht reproduzierbar.
Die den Arbeiten zugrundeliegenden künstlerischen Blickwinkel und Strategien könnten unterschiedlicher nicht sein. Peter Miller beispielsweise macht den Herstellungsprozess als solchen zum Thema. Lässt das Publikum via Schriftstück-Fotoserie am Dialog mit einem unbekannten Mitarbeiter seines Fotolabors teilhaben. Wie auch Sofia Duchovny, die ein Bild aus Wachs und Ruß gefertigt hat, konfrontiert Miller den Betrachter mit dem Resultat des Prozesses.
Einen ergebnisoffenen Ansatz wählen dagegen Christian Philipp Müller, der im angelegten Teich vor der Villa Salve Hospes schwimmende Kapuzinerkresse-Inseln dem Zeitverlauf übergibt, und Brad Troemels. In dessen Installation „Live/Work“ im Spiegelsaal kann der Besucher acht Gartenameisen-Kolonien in Plexiglaskästen dabei zusehen, wie sie in Gänge durch diagonal geschichtete Gelmassen graben, und sich ein weit verzweigtes Tunnelnetz und dem Betrachter dreidimensionale Landschaftsbilder schaffen. Das von der NASA als Erdeersatz eingesetzte Material ist mit Lebensmittelfarbe in den Farben von US-amerikanischen Non-Profit-Organisationen koloriert. Nach Ausstellungsende werden die umgeschichteten Gel-Bestandteile abgewogen, um zu ermitteln, welche Kolonie am fleißigsten war. Jede Ameisengruppe – bestehend aus 250 bis 300 Arbeitern und einer Königin – schuftet für jeweils eine Non-Profit-Organisation. Das siegreiche Volk sichert seiner Organisation zehn Prozent der Gewinne aus Eintrittsgeldern der Ausstellung „Process, Performance, Presence“.
Weitere Informationen zum umfangreichen Rahmenprogramm (Performances, Vorträge, Screenings und Künstlergespräche) der aktuellen Schau finden Sie unter www.kunstverein-braunschweig.de.