Wachablösung im Schoduvel. Zum ersten Mal hat Karsten Heidrich als Zugmarschall das Zepter in der Hand. In seinem blauen Bugatti fahren am Sonntag auch Ministerpräsident Stephan Weil und Braunschweigs Oberbürgermeister Dr. Thorsten Kornblum mit. Mit huldvollem Winken ist der Job allerdings nicht getan. Der 58-Jährige hat gerade einen Terminkalender wie ein Manager. Wir haben uns mit ihm am Telefon unterhalten.
Herr Heidrich, im Gegensatz zu Ihrem Vorgänger Gerhard Baller haben Sie im Karneval gleich zwei Ämter – neben Ihrem Beruf. Wie bekommen Sie Ihre Rollen als Zugmarschall, Präsident der Karneval-Vereinigung der Rheinländer und Logistikchef bei einem Möbelunternehmen gerade unter einen Hut?
Gar nicht so leicht. Zumal ich bis Sommer ja auch noch Vize-Präsident des Karnevalverbandes Niedersachsen bin. Meine Arbeitstage habe gerade 17 bis 18 Stunden. Gott sei Dank, hält mir meine Firma seit Jahren den Rücken für die Ehrenämter frei, und auch mein Team zieht an einem Strang. Dafür bin ich außerordentlich dankbar.
Als Zugmarschall fahren Sie nicht nur an der Spitze des Schoduvels durch die Menge. Was umfasst das Amt alles?
(lacht). Wie viel Zeit haben Sie? Nein, Scherz beiseite. Tatsächlich ist der Schoduvel eine logistische Herausforderung. Da muss alles ineinandergreifen: Teilnehmer, Behörden, Stadt, Polizei, Sanitätsdienste. Zum Glück klappt das in Braunschweig ganz hervorragend. Organisiert wird der Umzug letztlich von einem Team aus ungefähr 50 Personen. Ich bin froh, dass sich Gerhard Baller bereit erklärt hat, noch zwei Jahre auf Stand-by zu stehen und wenn nötig mit Rat und Tat unter die Arme greift.
Im Vorfeld des Umzugs ist viel über die Beteiligung der Gruppe „Friedlich & Vereint“ diskutiert worden. Diese versteht sich selbst als Teil der Friedensbewegung, andere halten sie für Querdenker. Außerdem steht manche Kostümierung inzwischen als „kulturelle Aneignung“ und damit diskriminierend in der Kritik. Geht dem Karneval die Leichtigkeit verloren?
Zunächst einmal ist der Karneval verpflichtet, aktuelle Themen ernst zu nehmen und den Finger zu heben. Die „Narrenfreiheit“ endet allerdings dort, wo sie ehrverletzend ist. Was die Teilnahme der Gruppe betrifft, hat sich die Diskussion in den vergangenen Wochen hochgeschaukelt und verschärft. Wir sahen bei der Anmeldung keine Probleme, haben allerdings auch Regeln bezüglich der Kostümierung aufgestellt – hält sich die Gruppe daran, ist es gut, verstößt sie dagegen, wird sie ausgeschlossen. Ob dem Karneval die Leichtigkeit verloren geht? Wenn Sie mich persönlich fragen, ja. Vielleicht liegt es auch ein bisschen an der heutigen Zeit. Kritiker mögen recht haben, wenn sie einige Kostüme, wie den Mohren, als diskriminierend bezeichnen, darüber hatte man sich früher keine Gedanken gemacht. Wir nehmen inzwischen Kostüme sehr genau in den Blick – nach der Absage durch eine Terrorwarnung im Jahr 2015 sogar noch einmal mehr. Seitdem sind Waffenattrappen zum Beispiel komplett tabu.
Sie sind auch Präsident der Karneval-Vereinigung der Rheinländer. Die wurde vor 100 Jahren tatsächlich von Rheinländern gegründet. Gibt es noch Nachfahren der einstigen „Immigranten“ unter den Narren?
Ja, es gibt noch Enkel der Gründer. Am Anfang wurden auch wirklich nur Mitglieder mit rheinischen Wurzeln zugelassen, später reichte ein Fürsprecher. Heute sind die meisten Braunschweiger.
Ist der Karneval in Köln und Düsseldorf denn noch Vorbild oder eher die hiesige Tradition?
Vorbild ist auf jeden Fall noch der rheinische Karneval. Wir sind sehr stolz auf die Tradition und zeigen es zum Beispiel mit unserer Garde der Roten Funken. Die Braunschweiger Wurzeln werden allerdings nicht außer Acht gelassen – schließlich geht unser Karneval viel weiter zurück als der rheinische.
Dennoch ist Karneval im Rheinland ein Selbstläufer. Straßen und Kneipen sind voll von närrischem Partyvolk, Lieder und Bands haben Kultstatus. Wünschen Sie sich auch hier mehr Breitenkarneval?
Ich würde sofort dafür auf die Straße gehen! Bei uns konzentriert sich immer noch alles auf den Schoduvel, dabei gibt es viel mehr. Mit der Kneipenrunde des Dreigestirns an Weiberfasnacht und der Party „Karneval total“ haben wir neue Angebote im Gepäck. Insgesamt wollen wir den Straßenkarneval mehr beleben.
In dieser Session mussten die drei Gesellschaften zum ersten Mal in andere Locations ausweichen, da die Stadthalle wegen der anstehenden Sanierung geschlossen ist. Weinen Sie ihr nach?
Ja. Die anderen Hallen sind auch schön, keine Frage. Aber ich würde alles dafür geben, dass wir wieder so schnell wie möglich in die Stadthalle zurück könnten.
Karten für die Große Prunksitzung der KVR am heutigen Samstag, 18. Februar, 19.11 Uhr in der VW-Halle sind an der Abendkasse erhältlich. Im Anschluss findet die Prinzen-Party statt.